Bauindustrielles Sanieren braucht Marktentwicklung

Wohnungsbau/ Hochbau
Technik
Nachhaltigkeit

Um die Kli­ma­zie­le im Ge­bäu­de­sek­tor zu er­rei­chen, ist eine Ver­vier­fa­chung der Sa­nie­rungs­ra­te bis 2032 er­for­der­lich.

Um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen, ist eine Vervierfachung der Sanierungsrate bis 2032 erforderlich. 2020 konnte durch verbesserte Programme erstmals seit Jahren ein deutlicher Anstieg bei der Beantragung von Fördermitteln erreicht werden. 2021 wird durch die neue „Bundesförderung energetische Gebäudesanierung“ (BEG) ein weiterer erheblicher Zuwachs erwartet. Im Bundeshaushalt 2021 ist hierfür eine Aufstockung der Mittel für die energetische Gebäudesanierung von 3,5 auf knapp 6 Mrd. Euro eingeplant (zum Vergleich: 2013 waren es 1,8 Mrd. EUR). Darüber hinaus wird in den kommenden Jahren die konsequente Durchsanierung von Gebäuden der öffentlichen Hand zum politischen Muss.

Die entscheidende Frage ist, mit welchen Kapazitäten dieses Bauvolumen umgesetzt werden kann. Derzeit werden energetische Sanierungen vorrangig in Form kleinteiliger, individueller Einzelmaßnahmen durchgeführt. Eine Vervierfachung ist mit dieser Arbeitsweise schwer vorstellbar. Die BAUINDUSTRIE fordert daher, bauindustrielle Produktionsmethoden zukünftig konsequent auch in der Sanierung anzuwenden.

Auf Nachfrageseite besteht großes Interesse – aber nur sehr wenige Unternehmen der BAUINDUSTRIE haben bisher damit begonnen, diesen Zukunftsmarkt für sich zu erschließen. Dem vorhandenen Bedarf müssen auch passende breitgefächerte, großmaßstäbliche Angebote entgegensetzt werden können. Im Dialog zwischen Unternehmen und Politik eruiert der HDB daher derzeit, bei welchen RandbedingungenNachbesserungsbedarf besteht.

Fest steht: Marktentwicklung - die bisher nur auf die Anreizung der Nachfrageseite ausgerichtet war, muss zukünftig auch auf die Anbieterseite ausgerichtet werden! Politik und Fachwelt benötigen einen Shift in ihrem Fokus und ihrer Denkrichtung. Nur dann können Klimaschutz und Transformation der Wirtschaft gelingen!

Was für Geschäftsmodelle sind gemeint?

Serielles Bauen umfasst nicht nur die Vorfertigung von Bauteilen sondern den gesamten Prozess. Das Produkt, das der Verbraucher kauft, ist "Energieeffizienz" (z.B. in Form umfassender Servicepakete, Net-Zero- oder, Warmmietenmodelle, Contracting, Partnerschaftsmodelle usw.)

Das Produkt "Energieeffizienz" muss leicht erhältlich, leicht umsetzbar und kostengünstig werden. Nur dann wird es auf dem Markt Erfolg haben, und nur dann gelingt der Roll-Out in der Fläche! Innovative, partnerschaftliche, lebenszyklusumfassende Vertragsmodelle liefern dabei allen Beteiligten gleichermaßen verlässliche, risikominimierte Grundlagen. Innovative Produktionsmethoden und –prozesse müssen maximal ausgebaut werden, auch um personellen Kapazitätsengpässen in der Bauwirtschaft entgegenzuwirken.

Voraussetzung Skalierbarkeit

Damit aus seriellem Sanieren ein attraktives Geschäftsfeld wird, muss Skalierbarkeit erreicht werden. Voraussetzung dafür ist die Bereitstellung bzw. Schaffung großer, zusammenhängend bearbeitbarer Sanierungsportfolios. Dieser Umstand muss in den Fokus der Politik rücken. Skalierbarkeit ist darüber hinaus im Sinne des Klimaschutzes, weil sie die Sanierung großer Bestandsvolumen möglich darstellt. Förderprogramme müssen die Abwicklung großer Projekte und Portfolios erleichtern (durch vereinfachte Beantragungsverfahren) sowie gezielt fördern (z.B. mit „Mengenrabatt“). Gemeinsame Anrechenbarkeit von Quartieren und Portfolios – wenn zusammenhängend abgewickelt – wirkt als zusätzlicher Anreiz (z.B. im GEG).

Die öffentliche Hand mit ihrem immensen Baubestand muss mit Vorbildwirkung vorangehen: Vergabe zusammenhängende Portfolios mit Rahmenverträgen und in Form umfassender Leistungspakete.

Voraussetzung innovative Vertragsmodelle und partnerschaftliche Zusammenarbeit

Innovative, lebenszyklusumfassende Vertragsmodelle sind die Grundlage für Energieeffizienz als Produkt: Derzeit behindern systemisch gewollte, kleinteilige Verantwortlichkeitsabschnitte und Schubladendenken die Zusammenarbeit und blockieren die Synergien der Wertschöpfungskette. Vertrags- und Geschäftsmodelle benötigen ein Re-Set zu verbesserter Zusammenarbeit. Die Trennung von Planen und Bauen führt hier nicht weiter. Alle Planungs- und Baubeteiligten müssen durch partnerschaftliche Vertragsmodelle im Team zusammenarbeiten. Die öffentliche Hand muss ihre Vergabestrategie entsprechend ausrichten.

Voraussetzung Marktentwicklung

Lebenszyklusumfassende Vertragsmodellen bedeuten extrem lange Investitionszyklen. Jedoch sind die Gewinnmargen am Bau eher geringer als beispielsweise in der Autoindustrie. Unternehmen haben daher einen verhältnismäßig geringen Investitionsspielraum. Die Investitionstätigkeit ist daher in der Regel auf konservative, zeitlich kalkulierbare und risikoarme Invests ausgerichtet. Förderprogramme und sonstige finanzielle Anreize sollten diese Lücke schließen und gezielt in Richtung Wirtschaftsförderung und Marktentwicklung ausgebaut werden: Weg vom einseitigen Fokus auf technologische Machbarkeit, auf Gebäude und Gebäudebesitzer! Die Förderung von Industrie- und Produktionsstätten im neuen Förderprogramm des BMWi zum seriellen Sanieren muss konsequent weiterentwickelt werden und insgesamt die Förderung innovativer Geschäftsmodelle für zusammenhängende Leistungspakete einschließen. In diesem Sinne sollten auch Forschung und Innovationsförderung ihren bisherigen Fokus vom Gebäude in Richtung Geschäftsmodell erweitern. Allgemein sollte die Aktivierung von Finanzierungsströmen in diese Richtung, z.B. auf dem Wege der Taxonomie, weiter ausgerichtet werden.

Voraussetzung Digitalisierung

Die Digitalisierung des Bauens läuft zu langsam. Deutschland befindet sich hier inzwischen im internationalen Vergleich in einem erheblichen Rückstand, der nicht nur unsere Wirtschaft mittelfristig schwächt, sondern überdies den Klimaschutz behindert. Eine gezielte staatliche Strategie muss nun schnell umgesetzt werden. Grundlagen sind adäquate technische Infrastruktur (flächendeckendes Breitband), sowie die Schaffung und Bereitstellung von Standards.