1. Der Europäische Grüne Deal
Der Europäische Grüne Deal vom 1. Dezember 2019 ist die Klimastrategie der Europäischen Union. Die EU versteht den Grünen Deal als eine neue Wachstumsstrategie, mit der die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll, die im Jahr 2050 klimaneutral ist. Zusammenfassend soll das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt werden. Dieser Wandel der europäischen Gesellschaft und Wirtschaft soll kosteneffizient und gerecht sowie sozial ausgewogen ausge-staltet werden.
Die drei Grundsätze des Grünen Deals sind:
- bis 2050 sollen keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden,
- das Wirtschaftswachstum wird von der Ressourcennutzung abgekoppelt,
- niemand, weder Mensch noch Regionen, werden im Stich gelassen.
Das Dokument hat den Status einer Kommissionsmitteilung und kann daher als strategische Erklärung oder Absichtserklärung verstanden werden – rechtliche Relevanz hat diese Strategie jedoch keine.
2. Das Europäische Klimagesetz
Das Europäische Klimagesetz ist ein zentrales Instrument zur Umsetzung des Grünen Deals, da es die im grünen Deal angekündigten Klimaziele gesetzlich verankert. Dazu hat die EU-Kommission im März 2020 einen Verordnungsvorschlag veröffentlicht, der die Klimaneutralität in Europa gesetz-lich festschreiben soll. Ferner wird ein Zielpfad zur Erreichung der Zwischenklimaziele bis 2050 eingefordert.
Der Art. 1 definiert den Kern des Gesetzes: „Mit dieser Verordnung wird ein Rahmen für die unum-kehrbare, schrittweise Senkung der Treibhausgasemissionen und Steigerung des Abbaus von Treibhausgasen durch natürliche oder andere Senken in der Union geschaffen.“
Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zum Klimagesetz wird mit den Co-Gesetzgebern, dem Europäischen Rat (den Vertretern der Mitgliedstaaten) und dem EU-Parlament verhandelt. Gemäß den aktuellen Verhandlungen wird sowohl das Ziel der Klimaneutralität für 2050 als auch ein neues ambitionierteres Klimaziel für 2030 von 55 % festgeschrieben werden. Das Europäische Parlament fordert sogar ein höheres Klimaziel von 60 % bis 2030. Es wird sich jedoch wahrscheinlich damit nicht durchsetzen können.
Die Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag sind noch nicht abgeschlossen. Im Frühjahr 2021 wird mit einer Einigung und der Verabschiedung des Klimagesetzes gerechnet. Damit wäre ein rechtlicher Rahmen für strengere Klimaziele geschaffen. Doch zur Umsetzung dieser Ziele sind wei-tere Anpassungen an den EU-Rechtsakten zum Kilmaschutz notwendig. Dieser Schritt wird durch das sogenannte „Fit für 55“-Paket unternommen.
3. Das „Fit für 55“-Paket
Im Juni 2021 wird ein umfassendes Gesetzespaket der EU-Kommission zur rechtlichen Umsetzung der Klimaziele erwartet. Dieses Gesetzespaket wird „Fit für 55“-Paket, in Anlehnung an das voraussichtlich neue Klimaziel für 2030, heißen. Es beinhaltet eine Reihe an neuen Legislativvorschlägen, umfasst aber auch die Überarbeitung von bestehenden Rechtsakten, um den EU-Rechtsrahmen mit den neuen ambitionierteren Klimazielen in Einklang zu bringen.
Der erste Teil des „Fit für 55“-Pakets ist für das zweite Quartal 2021 angekündigt und beinhaltet folgende Gesetzgebungsvorschläge (bzw. Reformen):
- Emissionshandelssystem der EU
- CO2-Grenzausgleichsmechanismus
- „Effort Sharing Regulation“ (CO2-Reduktion außerhalb des EU-ETS)
- Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie
- Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie
- Änderung der Energieeffizienz-Richtlinie
- Reduktion der Methanemissionen im Energiesektor
- Überarbeitung der Verordnung zur Einbeziehung von Treibhausgasemissionen und -abbau durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF)
- Überarbeitung der Richtlinie zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Brennstoffe
- Überarbeitung der Verordnung zur Festlegung von CO₂-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge
Der zweite Teil des „Fit für 55“-Pakets wird im vierten Quartal 2021 folgen und besteht aus diesen Legislativvorschlägen:
- Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
- Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und über den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen
Diese Gesetzgebungsvorhaben werden in zwei Etappen durch die EU-Kommission vorbereitet und veröffentlicht und werden danach zwischen Rat und Parlament diskutiert, abgeändert und abge-stimmt. Dieser Prozess kann 1-2 Jahre dauern, erst danach treten die Gesetzesakte in Kraft.
4. „Fit für 55“-Paket aus Sicht der BAUINDUSTRIE
Die BAUINDUSTRIE beschäftigt sich mit einer Reihe der vorgesehenen Gesetzgebungsvorschläge intensiv, da sie starke Auswirkungen auf die Bauwirtschaft haben können. Daher sind im folgenden wichtige Initiativen aus Sicht der Bauindustrie und die geplanten Änderungen dargestellt.
- Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden: Nach aktuellem Kenntnisstand wird die Kommission vorschlagen, bei der Revision der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie schrittweise verbindlicher Mindeststandards für die Energieeffizienz bestehender Gebäude einzuführen. Es soll außerdem eine stärkere Verpflichtung zur Nutzung von Energieausweisen eingeführt werden. Zudem denkt die EU-Kommission darüber nach, Mindestnormen für Energieeffizienz zu schaffen und die Anforderungen an Energieaudits auf größere und komplexere Nichtwohngebäude auszuweiten.
- Energieeffizienz-Richtlinie: Die Kommission prüft die Notwendigkeit, die Renovierungsverpflichtung auf Gebäude auf alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung auszuweiten und prozentual zu erhöhen. Hier besteht das Potential, den öffentlichen Sektor zur verstärkten Renovierungstätigkeiten zu verpflichten und so die Energieeffizienz des Gebäudebestandes der öffentlichen Hand zu erhöhen.
- Erneuerbare-Energie-Richtlinie: In diesem Rechtsakt sieht die EU-Kommission die Einführung einer Anforderung zur Verwendung von Mindestmengen an erneuerbaren Ener-gien in Gebäuden vor. Ferner sollen die Kapazitäten der öffentlichen Behörden zur Vorbereitung, Finanzierung und Umsetzung einer umfassenden Wärme- und Kälteplanung in Koordination mit Renovierungsprojekten gestärkt werden.
- Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems: Die Kommission arbeitet an Möglichkeiten und Ideen, um die gebäudebezogenen Emissionen in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen
Diese Auswahl an Legislativvorschlägen im „Fit für 55“-Paket wird die BAUINDUSTRIE auf Brüsseler Ebene besonders intensiv begleiten.