Die Bauwirtschaft passt ihre personellen und maschinellen Kapazitäten fortlaufend an die Nachfrage nach Bauleistungen an. Aufgrund der langen Baurezession von 1995 bis 2005 bauten die Baufirmen zu Beginn des Bauaufschwungs neue Kapazitäten erst nur verhalten auf. Ab 2010, als erwartet wurde, dass es sich um einen nachhaltigeren Aufschwung handelt, wurde jedoch vermehrt Personal eingestellt. Das Bauhauptgewerbe hat seit dem Beschäftigten-Tiefpunkt im Jahr 2009 bis 2022 ca. 500.000 Personen eingestellt, abzüglich der Rentenabgänge war dies ein Plus von 222.000 Personen. Für 2023 erwartet der HDB – aufgrund der sich abschwächenden Baukonjunktur – lediglich eine Stagnation bei 927.000 Beschäftigte im Bauhauptgewerbe, nach einem Plus von 15.000 in 2022. Die deutsche Bauwirtschaft wäre insoweit in der Lage, neue Aufträge zu bearbeiten.
Wenn diese positive Entwicklung des Beschäftigungsaufbaus – wie von der Politik gewünscht – weitergehen soll, benötigen die Baufirmen allerdings Vertrauen in eine stabile baukonjunkturelle Entwicklung. So kann z. B. auch durch eine reale (preisbereinigte) Verstetigung der öffentlichen Bauinvestitionen eine ständige Kapazitätsanpassung nach oben oder unten vermieden werden, denn einmal aus dem Bauarbeitsmarkt ausgeschiedene Fachkräfte sind schwer zurückzugewinnen.
Aktuelle Situation
Die personellen Kapazitäten am deutschen Bauarbeitsmarkt sind angespannt. Die Zahl der begonnenen Ausbildungsverhältnisse im Bauhauptgewerbe lag laut Bundesagentur für Arbeit im 3. Vj. 2022 im gesamten Bundesgebiet mit 19.800 zwar über den in den Ruhestand verabschiedeten Mitarbeitern (2022: ca. 17.000), es bricht aber ungefähr jeder Dritte seine Ausbildung ab. Hinzu kommt, dass die Bauunternehmen 2022 einen Rückgang bei den begonnenen Ausbildungsverhältnissen (kaufmännische und gewerbliche) um 6,8 % gemeldet haben. Damit ist der seit 2015 zu beobachtende Aufwärtstrend (vorerst) beendet.
Die Arbeitskräftereserven auf dem deutschen Bauarbeitsmarkt sind nur noch begrenzt vorhanden: Bei den Bauingenieuren übersteigt seit dem Frühjahr 2015 die Zahl der offenen Stellen die der Arbeitslosen. Aber auch bei den gewerblichen Fachkräften gibt es einen Engpass: Bis März 2018 lag die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter mit bauhauptgewerblichen Berufen noch deutlich über der Zahl der offenen Stellen. Danach hat sich das Verhältnis - zumindest in den Monaten April bis November - umgekehrt: Im Jahresdurchschnitt 2022 kamen auf 17.380 gemeldete offene Stellen nur noch 15.270 Arbeitslose.
Die Verschlechterung der Baukonjunktur seit der zweiten Jahreshälfte 2022 - und dem damit einhergehenden Anstieg der Zahl der Insolvenzen - ist allerdings schon auf dem Bauarbeitsmarkt angekommen: Die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter mit bauhauptgewerblichen Berufen lag im April 2023 um 7,9 %, die Zahl der arbeitslosen Bauingenieure sogar um 43 % über dem Niveau des vergleichbaren Vorjahresmonats.
Trotzdem sehen noch viele Unternehmen im Fachkräfteengpass – direkt hinter den Energie- und Rohstoffpreisen - die größte Gefahr für die weitere Entwicklung: Im Rahmen der DIHK-Umfrage zum Frühsommer 2023 gaben immer noch 70 % der befragten Bauunternehmen den Fachkräftemangel als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens an. In der Industrie beklagten dies 63 %.
Die deutsche Bauindustrie und ihre Unternehmen haben deshalb eine Vielzahl von Maßnahmen eingeleitet, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Diese sind im Einzelnen:
Trotz dieser vielen Maßnahmen ist die Lage auf dem Bauarbeitsmarkt nach wie vor angespannt: Im Durchschnitt der Monate Januar bis April 2023 gaben im Rahmen einer ifo Umfrage 27 % der Befragten an, dass ihre Bautätigkeit durch Fachkräftemangel behindert werde.
Siehe auch:
…auf den Punkt gebracht: „Fluktuationsquote im Bauhauptgewerbe“
…auf den Punkt gebracht: „Mehr Bauingenieurinnen am Bau“
Präsentation „Bauarbeitsmarkt“ (abzurufen über ELVIRA)
Präsentation „Frauen am Bau“ (abzurufen über ELVIRA)