... auf den Punkt gebracht

Ist die Bauwirtschaft ein Inflationsgewinner?

 
10.05.2023

 

Die in den vergangenen zwei Jahren stark gestiegenen Baumaterial- und Energiepreise sowie Zinskosten haben zu einem deutlichen Anstieg der Baupreise geführt. Wie auch andere Branchen sieht sich die Bauwirtschaft mit dem Vorwurf konfrontiert, die Situation auszunutzen und die Preise über das notwendige Maß zu erhöhen, um die Gewinne überdurchschnittlich zu steigern. Dies können wir nicht bestätigen.

Umsatzrendite und Eigenkapitalquote im Bauhauptgewerbe 2021 gesunken, Werte 2022 liegen noch nicht vor, es wird aber keine wesentliche Verbesserung erwartet

Im Gegenteil: Die Umsatzrendite im Bauhauptgewerbe ist 2021 binnen Jahresfrist von 9,9 % auf 6,8 % gesunken. Bei Unternehmen mit 50 und mehr Mio. Euro Umsatz ist die Rendite sogar von 6 % auf 4,3 % zurückgegangen. Entsprechend sank die Eigenkapitalquote von 23,7 % auf 20,5 %, bei großen Bauunternehmen von 17,7 % auf 13,4 %. Dies ergab die Auswertung von bis zu 5.600 Bilanzen durch den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) vom März dieses Jahres. Werte für 2022 liegen für das Bauhauptgewerbe allerdings noch nicht vor.

Laut vorläufigen Berechnungen des DSGV für das gesamte Baugewerbe (Ausbau- und Bauhauptgewerbe), welche lediglich auf 9.000 Firmenbilanzen über alle Sparten (mit einem Jahresumsatz von 20 bis 250 Millionen Euro) beruhen, soll die Umsatzrendite binnen eines Jahres von ehemals 4,3 % auf 9,7 % 2022 und die Eigenkapitalquote von 33,6 % auf 34,2 % gestiegen sein. Diese Werte können sich aber noch deutlich ändern, da die Berechnung für das Baugewerbe auf einer sehr niedrigen Anzahl an Firmenbilanzen beruht und Betriebe mit weniger als 20 Mio. Euro Jahresumsatz vollständig ausgenommen sind.

Dass die Finanzkennzahlen im Bau(haupt)gewerbe 2022 schlechter (bzw. zumindest nicht deutlich besser als 2021) ausfallen werden, darauf deutet die Frühjahrsumfrage 2023 der Creditreform bei mittelständischen Unternehmen hin: Lediglich 13 % der befragten Unternehmen des Baugewerbes (eine Differenzierung nach Ausbau- und Bauhauptgewerbe wird nicht vorgenommen) gaben an, dass ihre aktuelle Ertragslage 2022 gestiegen sei, 53 % berichteten von einer stabilen und 31 % von einer gesunkenen Ertragslage. Diese Ergebnisse werden auch von der DIHK-Konjunkturumfrage bestätigt, wonach im Herbst 2022 jedes fünfte befragte Bauunternehmen von einem Eigenkapitalrückgang berichtete. Auch die weitere Ertragsentwicklung schätzten die Bauunternehmen pessimistisch ein: Im Rahmen der Creditreform-Umfrage erwartete nahezu jeder vierte (24 %) eine sinkende Ertragslage, 54 % eine stabile und 22 % eine steigende.

Insolvenzen im Bau(haupt)gewerbe wieder gestiegen

Auch die gestiegene Zahl an Insolvenzen deutet im Branchendurchschnitt eher auf eine Verschlechterung der Ertragslage hin: Diese ist 2022 im Bauhauptgewerbe um 8,4 %, im gesamten Baugewerbe sogar um 12,7 % gestiegen, mit zunehmender Dynamik im Jahresverlauf. Im Januar 2023 wurde sogar ein Anstieg im Bauhauptgewerbe von 42,5 % (Baugewerbe: + 15,7 %) gemeldet. Aufgrund der verbesserten Ertragslage bis 2020 lag die Zahl der Insolvenzen im Gesamtjahr 2022 mit 1.120 bzw. 2.560 zwar auf einem niedrigen Niveau, aber der aktuelle Anstieg bereitet Sorgen.

Gestiegene Material-, Energie- und Zinskosten konnten 2021 nur zum Teil, 2022 überwiegend weitergegeben werden

Das Bauhauptgewerbe ist eine sehr materialintensive Branche: Der Anteil der (direkten) Materialkosten am Bruttoproduktionswert liegt im Durchschnitt der Branche bei 21 %. Der (direkte) Anteil fällt aber je nach Sparte unterschiedlich aus, er liegt zwischen 5,2 % (Gerüstbau) und 32,8 % (Dachdeckerei/Bauspenglerei). Allerdings muss man berücksichtigen, dass ein Großteil der eigenen Bautätigkeit an Nachunternehmer vergeben wird, die selbst Material einsetzen, welches sie in Rechnung stellen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Materialkostenanteil doppelt so hoch (im Branchendurchschnitt ca. 40 %) ausfällt.

Die gestiegenen Material- und Energiekosten, welche (trotz leichter Beruhigung bei einzelnen Produkten) überwiegend immer noch auf vergleichsweise hohem Niveau liegen, schlagen bei den Bauunternehmen somit deutlich zu Buche. So lag der Erzeugerpreis für Betonstahl im Jahresdurchschnitt 2021 um 53 % und 2022 um 32 % über dem jeweiligen Vorjahresniveau. Der Preis für Dieselkraftstoff legte um 24 % bzw. 42 %, der Preis für Bitumen um 36 % bzw. 39 % zu.  

Der (nominal) gestiegene Umsatz wurde somit durch die gestiegene Material-, aber auch Energie- und Zinskosten „aufgefressen“. Dies war insbesondere im Jahr 2021 der Fall. Aufgrund (zum Teil) langlaufender Verträge konnten die gestiegenen Kosten nicht vollständig weitergegeben werden, der Preisindex für Bauleistungen im Bauhauptgewerbe stieg - trotz der enormen Kostensteigerungen - „nur“ um 7,5 % (ohne MwSt.). Dies führte zu einem Rückgang der Umsatzrendite und Eigenkapitalausstattung im Bauhauptgewerbe 2021 (s.o.). 2022 scheinen die gestiegenen Kosten dann aber vollständig eingepreist worden zu sein. Darauf deutet zumindest der Vergleich der Entwicklung des Kosten- und des Preisindex für den Neubau von Wohngebäuden hin [Anmerkung: der Kostenindex wird nur für den Neubau von Wohngebäuden berechnet]. Der Kostenindex ist im Jahresdurchschnitt 2022 um 13,4 %, der Preisindex (der auch den kalkulatorischen Unternehmensgewinn enthält) hingegen um 16,4 % gestiegen. Im Februar 2023 lag der Kostenindex sogar um 16 % über dem Niveau von Februar 2022, der Preisindex lag mit + 17,6 % nur unwesentlich darüber.

Die Differenz ist auf keinen Fall ausreichend, um die Umsatzrendite und die Eigenkapitalquote in den vom DSGV berechneten Ausmaß zu erhöhen.

Insofern kann nicht davon gesprochen werden, die Bauwirtschaft sei ein Inflationsgewinner. „Ungerechtfertigte Preisaufschläge“ sind auch nur möglich, wenn Kunden bzw. Auftraggeber mangels Wettbewerbs nicht auf andere Anbieter ausweichen können. Dies ist in der Bauwirtschaft, angesichts von knapp 83.000 Betrieben allein im Bauhauptgewebe, nicht der Fall.

 

Siehe auch:
….auf den Punkt gebracht: „Baukonjunkturelle Lage

….auf den Punkt gebracht: „Preissteigerungen bei Baumaterialien

….auf den Punkt gebracht: „Preisentwicklung im Bau(haupt-)gewerbe

….auf den Punkt gebracht: „Preisentwicklung im Wohnungsneubau

….auf den Punkt gebracht: „Löhne und Entgelte im Baugewerbe deutlich erhöht