Die Baupreise sind 2022 weiter gestiegen: Aufgrund der - durch den Krieg in der Ukraine und der dadurch verstärkten Lieferengpässe - noch einmal deutlich angezogenen Preise für Baumaterialien und Energie sowie Zinskosten haben auch die Preise für Bauleistungen des Bauhauptgewerbes wieder stärker zugelegt: Für den Dezember 2022 meldete das Statistische Bundesamt im Vergleich zu Dezember 2021 einen Preisanstieg von 16,9 %, demgegenüber ist der Verbraucherpreisindex um 8,1 % gestiegen. Im Jahresdurchschnitt 2022 hat der Preis für Bauleistungen des Bauhauptgewerbes - nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (ohne MwSt.) - um 16,7 % zugelegt, nach einem Plus von 7,5 % 2021 und 2,4 % 2020. Solche Preissteigerungen gab es letztmalig 1970. Die vereinzelten Preisrückgänge bei einigen Baumaterialien seit Sommer 2022, das mittlerweile erreichte hohe Niveau sowie der deutliche Nachfrageeinbruch - insbesondere im Wohnungsbau - haben zu einer leichten Preisberuhigung geführt: Im Februar 2023 lagen die (durchschnittlichen) Preise für Leistungen des Bauhauptgewerbes um 15 % über dem Niveau des vergleichbaren Vorjahresmonats. Für das Gesamtjahr 2023 liegen die Preisprognosen (für die gesamten Bauinvestitionen) im Durchschnitt der Wirtschaftsforschungsinstitute bei 7,2 %.
Die überdurchschnittlichen Preissteigerungen für Leistungen des Bauhauptgewerbes ab 2021 haben im gleichen Jahr dazu geführt, dass das Bauhauptgewerbe das Niveau der Verbraucherpreise übertroffen hat: 2022 lagen die Verbraucherpreise um 78 % über dem Niveau von 1991, die Preise für Leistungen des Bauhauptgewerbes um 103 %. Das Ausbaugewerbe lag mit einem Preisplus von 140 % sogar noch deutlicher über den Verbraucherpreisen.
Rückblickend betrachtet war die Preissteigerung im Zeitraum von 2006 bis 2019 für die deutsche Bauindustrie Ausdruck einer allmählichen Normalisierung auf dem deutschen Baumarkt. Sie spiegelte nicht nur Veränderungen auf der Kostenseite wider, sondern bildete auch die verbesserte Marktstellung der Bauunternehmen ab. Nach Jahren der Baukrise, in denen sich die Unternehmen weitgehend an der Preisuntergrenze bewegt haben, waren die Firmen nicht mehr gezwungen, erkennbar ertragsschwache Aufträge anzunehmen. Stattdessen waren die Unternehmen wieder in der Lage, die Risiken des Baugeschäfts angemessen zu bepreisen.
Dies sollte eigentlich auch im Sinne der Auftraggeber sein. Mit steigenden Preisen geht auch eine verbesserte Ertragslage der Baufirmen einher. Damit werden diese in die Lage versetzt, ihre Eigenkapitalausstattung weiter aufzustocken. Dies zahlt sich am Ende auch für die Auftraggeber aus, die nicht mehr mit den enormen Insolvenzrisiken im Bauhauptgewerbe rechnen müssen, die gerade in der Baukrise zwischen 1995 und 2005 viele Projekte in Schieflage gebracht haben. Zwar ist die Branche von der hohen Insolvenzquote aus der Zeit der Baurezession mittlerweile weit entfernt, das Risiko einer Insolvenz ist im Bauhauptgewerbe mit 102 von je 10.000 Unternehmen aber immer noch deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft (48). Offensichtlich stehen Preise und Risiken immer noch nicht in einem angemessenen Verhältnis.
Die Entwicklung seit 2021 und besonders 2022 ist auf die starken Preissteigerungen bei Baumaterialien und Energie zurückzuführen, schließlich liegt der direkte Anteil der Materialkosten am Bruttoproduktionswert im Durchschnitt des Bauhauptgewerbes bei 21 %, wobei der Anteil je nach Sparte unterschiedlich ausfällt, er liegt zwischen 5,2 % (Gerüstbau) und 32,8 % (Dachdeckerei/Bauspenglerei). Allerdings muss man berücksichtigen, dass ein Großteil der eigenen Bautätigkeit an Nachunternehmer vergeben wird, die selbst Material einsetzen, welches sie in Rechnung stellen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Materialkostenanteil doppelt so hoch (im Branchendurchschnitt ca. 40 %) ausfällt.
Dabei sind die Preise nicht nur für einzelne, sondern für sehr viele Baumaterialien gestiegen – auch aufgrund der gestiegenen Energiekosten: Der Erzeugerpreisindex für Energie lag im Jahresdurchschnitt 2022 um 86,2 % über dem Niveau von 2021. Der Erzeugerpreis für Betonstahl hat 2022 um 31,6 %, für Bitumen um 38,5 %, für Dämmwolle um 20,9 %, für Zement um 17,9 %, für das besonders energieintensive Flachglas sogar um 49,3 % und für Diesel um 41,6 % zugelegt. Letzteres ist für das Baugewerbe besonders belastend, da die Hälfte des Energieverbrauchs auf Diesel entfällt. Der Gasanteil liegt hingegen nur bei 7 %.
Dass die Bauunternehmen die gestiegenen Kosten schon 2021 nicht vollständig an ihre Auftraggeber überwälzen konnten, belegen die Zahlen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Demnach ist die Eigenkapitalquote im Durchschnitt des Bauhauptgewerbes 2021 gegenüber 2020 von 23,7 % auf 20,5 % und die Umsatzrendite von 9,9 % auf 6,8 % gesunken. Diese Entwicklung dürfte sich 2022 fortgesetzt haben (Datenveröffentlichung erst März 2024).
Siehe auch:
….auf den Punkt gebracht: „Deutliche Preissteigerungen bei Baumaterialien seit Jahresbeginn 2021“
….auf den Punkt gebracht: „Preisentwicklung im Wohnungsneubau“
….auf den Punkt gebracht: „Energieverbrauch und Klimaschutz im Baugewerbe – Eine Datensammlung.“
….auf den Punkt gebracht: „Ist die Bauwirtschaft ein Inflationsgewinner?“