... auf den Punkt gebracht

Wohnungsbau: Konjunktur, Struktur, Bestimmungsgründe

 
27.06.2023

 

Der Wohnungsbauboom erreichte seinen Höhepunkt 1995, als 603.000 Wohnungen fertiggestellt wurden. Danach folgte eine lange Phase einer rückläufigen Wohnungsbauproduktion. Bis 2009 ging die Zahl der Fertigstellungen um drei Viertel auf nur noch 159.000 Wohnungen zurück. In Folge der Zuwanderung nach Deutschland und der Binnenwanderung in die Ballungsgebiete stieg die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bis 2020 um 93 %% auf 306.000 Einheiten, ging danach aber leicht zurück. Das Regierungsziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr wurde 2021 und 2022 jeweils deutlich verfehlt.

Struktur der Bautätigkeit

In den vergangenen Jahren hat sich die Struktur der Wohnungsbautätigkeit deutlich gewandelt. Dazu hat auch die Veränderung der Rahmenbedingungen beigetragen; Kürzungen von Fördermaßnahmen im Neubau standen neue Förderungen für Maßnahmen im Wohnungsbestand gegenüber.

  • Seit 1999 überwiegen die Investitionen in den Wohnungsbestand. Dazu haben vor allem ab 2006 die Investitionen in energetische Sanierungsmaßnahmen beigetragen.
  • 2022 lag der Anteil der Neubaumaßnahmen am Wohnungsbauvolumen nur bei einem Drittel.
  • Seit 2010 legte allerdings der Wohnungsneubau deutlich stärker zu. Bis 2022 stiegen die Investitionen in Neubauten jährlich (nominal) um 9,3 %, in den Wohnungsbestand nur um 5,2 %.

Von den Investitionen in den Wohnungsbestand (Dächer, Fassaden, Fenster, Bäder, Elektro) profitieren in erster Linie Firmen des Ausbaugewerbes, Unternehmen des Bauhauptgewerbes kommen nur selten zum Zuge. Im Wohnungsneubau liegt derzeit der Anteil des Bauhauptgewerbes (Rohbau) bei 46 %, der Anteil des Ausbaugewerbes bei 54 %.

Bedarf

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, von 2022 bis 2025 jährlich 400.000 Wohnungen neu an den Markt zu bringen. Allerdings tritt der Bedarf nicht flächendeckend auf. Vor allem in ländlichen Regionen und in weiten Teilen der neuen Bundesländer stehen 2 Mio. Wohnungen leer. Auf der anderen Seite hält die Binnenwanderung in die großen Ballungszentren, Regionalzentren mit guter wirtschaftlicher Entwicklung und attraktive Universitätsstädte weiter an.

Zwar liegen seit Jahren die Genehmigungszahlen je 1.000 Einwohner in den Großstädten mehr als doppelt so hoch wie im restlichen Bundesgebiet. Dies reicht aber weiterhin nicht aus, um den Bedarf zu decken. Zudem bleiben die Wohnungsfertigstellungen nach wie vor relativ deutlich hinter den Genehmigungen zurück. Vor allem der Mietwohnungsneubau in den Ballungsgebieten und ihrem Umland liegt immer noch deutlich unter dem Bedarf. 

Demografie

Einer der wichtigsten Bestimmungsfaktoren für die Nachfrage nach Wohnraum und damit die langfristige Entwicklung der Wohnungsbautätigkeit ist die Zahl der Einwohner und der privaten Haushalte. 2009 verzeichnete Deutschland noch eine Nettoabwanderung von 13.000 Personen. Die in Deutschland lebende Bevölkerung sank in diesem Jahr - einschließlich der Sterbefälle und Geburten - um mehr als 200.000. Danach stieg die Nettozuwanderung nach Deutschland deutlich an. 2015 waren es wegen der Flüchtlingswelle mehr als eine Million Menschen. Danach war ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, 2022 lag der Wanderungsüberschuss wegen des Krieges in der Ukraine aber wieder bei 1.462.000 Personen.

Zinsen

Die Entwicklung an den Kapitalmärkten hat bis 2021 zum Aufschwung im Wohnungsbau beigetragen. Im Durchschnitt des Jahres 2008 lag der Zinssatz für Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke (Durchschnitt aller Laufzeiten) bei 5,2 %. Bis 2021 war ein konstanter Rückgang auf 1,3 % festzustellen. Die Refinanzierung von Wohnungsbauinvestitionen wurde sowohl für Kapitalanleger als auch für private Haushalte deutlich einfacher. Diese Entwicklung hat sich grundlegend geändert. Im Frühjahr 2023 wurde die Marke von 4 Prozent übersprungen.

Bauland

Eines der größten Hemmnisse für die Ausweitung des Wohnungsbaus ist – vor allem in den Ballungsgebieten – das nicht ausreichend zur Verfügung stehende Bauland. Allein mit Nachverdichtung wird es nicht getan sein. Die Kommunalpolitik muss sich auch zur Ausweisung neuer Baugebiete an den Stadträndern entschließen.

Die knappen Baulandressourcen und die anhaltend hohe – teilweise sogar noch steigende – Nachfrage haben auch die Preise für baureifes Land in die Höhe getrieben. Bundesweit stiegen diese zwischen 2010 und 2021 um 73 %. Besonders drastisch waren die Auswirkungen in den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern, wo sich die Quadratmeterpreise sogar mehr als verdreifachten. 2021 musste man dort 1.611 Euro je Quadratmeter bezahlen. Auf solchen Grundstücken werden dann in der Regel auch Wohnungen mit hohen Verkaufs- oder Mietpreisen errichtet. Dies beeinträchtigt die Bestrebungen, sozialverträglichen Wohnraum zu errichten.

Wohnungsbaupolitik und Bauwirtschaft

Wohnungsbaupolitik, Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft stehen vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen gilt es dort, wo die Menschen zuwandern, also in den Ballungsgebieten, ausreichend Wohnraum zu schaffen. Das geht nicht ohne die Ausweisung von zusätzlichem Bauland. Hier sind die Kommunen am Zug. Zum anderen gilt es, Wohnraum zu schaffen, der auch bezahlbar ist. Dafür muss aber der gesamte Regulierungsrahmen, unter dem Wohnungsbau stattfindet, auf den Prüfstand gestellt werden. Denn ein erheblicher Teil der Kostensteigerungen ist auf staatliche Vorgaben zurückzuführen. Die Stichworte heißen hier:

  • Überprüfung, zumindest aber keine weitere Verschärfung der energetischen Standards, die allein für ein Fünftel der Kostensteigerung der vergangenen 15 Jahre verantwortlich sind.
  • Mehr Augenmaß im Naturschutz und im Bodenschutz, die in den vergangenen Jahren durch die Forderung nach Ausgleichsflächen und Auflagen für die Wiederverwertung von Bodenaushub die Erschließungskosten für Bauland in die Höhe getrieben haben.
  • Kostenentlastung der Investoren, z. B. durch Rückkehr zu moderaten Grunderwerbsteuersätzen oder den Verzicht auf die Mitfinanzierung von sozialer Infrastruktur.

Bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist auch der Staat in der Pflicht. Man kann nicht auf der einen Seite durch immer neue Auflagen bzw. Steuererhöhungen die Gesamtinvestitionskosten und damit die Mieten nach oben treiben und andererseits die Mietpreissteigerung beklagen.

Es genügt allerdings nicht, der Politik den „schwarzen Peter“ zuzuschieben. Auch die bauausführende Wirtschaft muss ihre Hausaufgaben machen. Wir brauchen eine stärkere Industrialisierung des Wohnungsbaus. Wir sehen vor allem in einer Forcierung des seriellen Wohnungsbaus unseren Beitrag zur Lösung der Probleme. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze.

Optimierungspotential besteht bereits bei der konventionellen Fertigung. Statt dabei aber bedingungslos dem Leitbild der Einzelfertigung zu folgen, sollten künftig stärker Prototypen geplant werden, die dann deutschlandweit in Serie umgesetzt werden können. Die Kostensenkungseffekte ergeben sich dann aus der Optimierung und der Standardisierung.

Auch die stärkere Nutzung vorgefertigter Bauteile kann einen Beitrag zur Kostenreduzierung leisten. Hierfür benötigen wir aber größere Serien, die über einen langen Zeitraum nachgefragt werden müssen. Dies schafft für unsere Mitgliedsfirmen Anreize, in solche Fertigungsmethoden zu investieren.

Letztendlich können auch qualitativ hochwertige, aber gleichzeitig kostengünstige Wohnmodule sowohl zur Produktionsausweitung als auch zur Kostenreduzierung beitragen. Solche Module werden stationär in Fabrikhallen industriell vorgefertigt und anschließend zur Baustelle transportiert, wo sie nur noch montiert werden müssen.

Vorbedingung ist allerdings entweder die Erteilung einer bundesweit geltenden Typengenehmigung oder aber eine längst überfällige Vereinheitlichung der Landesbauordnungen.