Der Wohnungsbauboom der 1990er Jahre erreichte seinen Höhepunkt 1995, als 603.000 Wohnungen fertiggestellt wurden. Danach folgte eine lange Phase einer rückläufigen Wohnungsbauproduktion. Bis 2009 ging die Zahl der Fertigstellungen um drei Viertel auf nur noch 159.000 Wohnungen zurück. In Folge der Zuwanderung nach Deutschland und der Binnenwanderung in die Ballungsgebiete stieg die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bis 2020 um 93 % auf 306.000 Einheiten, ging aber 2021 auch wegen der problematischen Versorgungslage bei Baustoffen auf 293.400 zurück.
Struktur der Bautätigkeit
In den vergangenen Jahren hat sich die Struktur der Wohnungsbautätigkeit deutlich gewandelt. Dazu hat auch die Veränderung der Rahmenbedingungen beigetragen; Kürzungen von Fördermaßnahmen im Neubau standen neue Förderungen für Maßnahmen im Wohnungsbestand gegenüber.
Von den Investitionen in den Wohnungsbestand (Dächer, Fassaden, Fenster, Bäder, Elektro) profitieren in erster Linie Firmen des Ausbaugewerbes, Unternehmen des Bauhauptgewerbes kommen nur selten zum Zuge. Im Wohnungsneubau liegt derzeit der Anteil des Bauhauptgewerbes (Rohbau) bei 46 %, der Anteil des Ausbaugewerbes bei 54 %.
Bedarf
Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, jährlich 400.000 Wohnungen neu an den Markt zu bringen. Dieser hohe Wert ist allerdings umstritten. Das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln sieht für den Zeitraum 2021 bis 2025 lediglich einen jährlichen Bedarf von 308.000 Wohnungen. Das Forschungsinstitut empirica ermittelt für den Zeitraum 2021 bis 2035 sogar nur eine jährliche Neubaunachfrage zwischen 233.000 und 253.000 Wohnungen.
Beide Institute weisen zudem darauf hin, dass eine bundesweite Durchschnittszahl nicht aussagekräftig ist, vielmehr müssten hier disaggregierte Zahlen zu Rate gezogen werden. Vor allem in ländlichen Regionen und in weiten Teilen der neuen Bundesländer stehen 2 Mio. Wohnungen leer. Auf der anderen Seite hält die Binnenwanderung in die großen Ballungszentren, Regionalzentren mit guter wirtschaftlicher Entwicklung und attraktive Universitätsstädte weiter an.
Zwar liegen seit Jahren die Genehmigungszahlen je 1.000 Einwohner – vor allem im Mietwohnungsneubau – in den Großstädten mehr als doppelt so hoch wie im restlichen Bundesgebiet. Dies reicht aber weiterhin nicht aus, um den Bedarf zu decken. Zudem bleiben überall die Wohnungsfertigstellungen nach wie vor relativ deutlich hinter den Genehmigungen zurück. Vor allem der Mietwohnungsneubau in den Ballungsgebieten und ihrem Umland liegt immer noch deutlich unter dem Bedarf.
Demografie
Einer der wichtigsten Bestimmungsfaktoren für die Nachfrage nach Wohnraum und damit die langfristige Entwicklung der Wohnungsbautätigkeit ist die Zahl der Einwohner und der privaten Haushalte. 2009 verzeichnete Deutschland noch eine Nettoabwanderung von 13.000 Personen. Die in Deutschland lebende Bevölkerung sank in diesem Jahr - einschließlich der Sterbefälle und Geburten - um mehr als 200.000. Danach stieg die Nettozuwanderung nach Deutschland deutlich an. 2015 waren es wegen der Flüchtlingswelle mehr als eine Million Menschen. Seitdem ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, 2020 lag der Wanderungsüberschuss noch bei 220.000 Personen.
Zinsen
Die Entwicklung an den Kapitalmärkten hat zum Aufschwung im Wohnungsbau beigetragen. Im Durchschnitt des Jahres 2008 lag der Zinssatz für Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke (Durchschnitt aller Laufzeiten) bei 5,2 %. Bis 2020 war ein konstanter Rückgang auf 1,3 % festzustellen, dies war auch der Wert für 2021. Die Refinanzierung von Wohnungsbauinvestitionen wurde sowohl für Kapitalanleger als auch für private Haushalte deutlich einfacher.
Dieser Trend kehrt sich allerdings gerade um. Im Durchschnitt aller Laufzeiten sind die Hypothekenzinsen von 1,3 % zu Jahresbeginn bis zum April auf knapp 2 % gestiegen. Angesichts des von der EZB verkündeten Zinsschrittes im Juli ist im weiteren Jahresverlauf mit einem weiteren Zinsanstieg zu rechnen. Dieser dürfte sich – zusammen mit den steigenden Baupreisen - bremsend auf die Wohnungsbaunachfrage auswirken.
Bauland
Eines der größten Hemmnisse für die Ausweitung des Wohnungsbaus ist – vor allem in den Ballungsgebieten – das nicht ausreichend zur Verfügung stehende Bauland. Wurden in den sieben einwohnerstärksten deutschen Städten 2013 noch 5,6 Mio. Quadratmeter baureifes Land veräußert, waren es 2020 nur noch 2,7 Mio. Quadratmeter. Allein mit Nachverdichtung wird es nicht getan sein. Die Kommunalpolitik muss sich auch zur Ausweisung neuer Baugebiete an den Stadträndern entschließen.
Die knappen Baulandressourcen und die anhaltend hohe – teilweise sogar noch steigende – Nachfrage haben auch die Preise für baureifes Land in die Höhe getrieben. Bundesweit stiegen diese zwischen 2009 und 2020 um 63 %. Besonders drastisch waren die Auswirkungen in den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern, wo sich die Quadratmeterpreise sogar mehr als verdreifachten. 2020 musste man dort 1.213 Euro je Quadratmeter bezahlen. Auf solchen Grundstücken werden dann in der Regel auch Wohnungen mit hohen Verkaufs- oder Mietpreisen errichtet. Dies beeinträchtigt die Bestrebungen, sozialverträglichen Wohnraum zu errichten.
Wohnungsbaupolitik und Bauwirtschaft
Wohnungsbaupolitik, Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft stehen vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen gilt es dort, wo die Menschen zuwandern, ausreichend Wohnraum zu schaffen. Das geht nicht ohne die Ausweisung von zusätzlichem Bauland. Hier sind die Kommunen am Zug. Zum anderen gilt es, Wohnraum zu schaffen, der auch bezahlbar ist. Dafür muss aber der gesamte Regulierungsrahmen, unter dem Wohnungsbau stattfindet, auf den Prüfstand gestellt werden.
Denn immerhin 30 % der Kostensteigerungen im Wohnungsbau seit dem Jahr 2000 sind auf staatliche Vorgaben zurückzuführen. Man kann nicht auf der einen Seite durch immer neue Auflagen bzw. Steuererhöhungen die Gesamtinvestitionskosten und damit die Mieten nach oben treiben und andererseits die Mietpreissteigerung beklagen. Notwendig ist daher:
Die Politik hat auf diese Entwicklung reagiert. Die neue Bundesbauministerin Geywitz hat ein „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ ins Leben gerufen, der im Frühjahr 2022 seine Arbeit aufgenommen hat. In enger Zusammenarbeit der Politik mit Planern und Architekten, immobilienwirtschaftlichen Verbänden, den Bauverbänden sowie weiteren Playern sollen kostentreibende Faktoren identifiziert und – wenn möglich – beseitigt, zumindest aber eingeschränkt werden.
Gleichzeitig hat die Politik allerdings schon angekündigt, auch in den kommenden Jahren die Vorschriften weiter zu verschärfen. Ab 2023 sollen nur noch neue Wohngebäude mit dem Effizienzstandard EH55 genehmigungsfähig sein, zwei Jahre später dann nur noch mit EH40. Dies wird allerdings die gesamten Investitionskosten im Wohnungsneubau weiter deutlich nach oben treiben. Immobilien- und Bauverbände haben daher bereits schon darauf hingewiesen, dass sich das Ziel „bezahlbarer Wohnraum“ mit diesen neuen politischen Vorgaben nur schwer vereinbaren lassen wird.
Es genügt allerdings nicht, der Politik den „schwarzen Peter“ zuzuschieben. Auch die bauausführende Wirtschaft muss ihre Hausaufgaben machen. Wir brauchen eine stärkere Industrialisierung des Wohnungsbaus. Wir sehen vor allem in einer Forcierung des seriellen Wohnungsbaus unseren Beitrag zur Lösung der Probleme. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze.
Optimierungspotential besteht bereits bei der konventionellen Fertigung. Statt dabei aber bedingungslos dem Leitbild der Einzelfertigung zu folgen, sollten künftig stärker Prototypen geplant werden, die dann deutschlandweit in Serie umgesetzt werden können. Die Kostensenkungseffekte ergeben sich dann aus der Optimierung und der Standardisierung.
Auch die stärkere Nutzung vorgefertigter Bauteile kann einen Beitrag zur Kostenreduzierung leisten. Hierfür benötigen wir aber größere Serien, die über einen langen Zeitraum nachgefragt werden müssen. Dies schafft für unsere Mitgliedsfirmen Anreize, in solche Fertigungsmethoden zu investieren.
Letztendlich können auch qualitativ hochwertige, aber gleichzeitig kostengünstige Wohnmodule sowohl zur Produktionsausweitung als auch zur Kostenreduzierung beitragen. Solche Module werden stationär in Fabrikhallen industriell vorgefertigt und anschließend zur Baustelle transportiert, wo sie nur noch montiert werden müssen.
Vorbedingung ist allerdings entweder die Erteilung einer bundesweit geltenden Typengenehmigung oder aber eine längst überfällige Vereinheitlichung der Landesbauordnungen.