Produktivität ist für Unternehmen eine entscheidende Größe, vor allem der Arbeitseinsatz steht oftmals in der Betrachtung. Die Arbeitsproduktivität misst die Wertschöpfung je Arbeitnehmer oder Arbeitsstunde. Je produktiver die Beschäftigten arbeiten, mit desto weniger Arbeitskräfteeinsatz können Unternehmen ihre Erzeugnisse herstellen.
1. Zusammenfassung
Die Arbeitsproduktivität je Stunde lag im Baugewerbe 2023 auf dem Niveau des Vorjahres (+0,2 %), nachdem sie im Jahr zuvor um 11,2 % eingebrochen war. Damit liegt die Produktivität um 23 % unter dem Niveau von 1991. Im Verarbeitenden Gewerbe nahm die Produktivität im gleichen Zeitraum hingegen um 103 % zu (2023/2022: + 1,4 %). In den gesamten 32 Jahren lag die Produktivität im Baugewerbe nur einmal über dem Niveau von 1991, und zwar 1992. Die Bandbreite der Veränderungsraten lag zwischen plus 3,1 % im Jahr 2020 und minus 11,2 % im Jahr 2022. Der Anstieg 2020 scheint auf Vorzieheffekte (aufgrund der befristeten MwSt.-Senkung) zurückzuführen zu sein, der darauffolgende Rückgang 2021 von 5,9 % war somit zum Teil auch dem gegenläufigen Effekt geschuldet.
Im Bauhauptgewerbe war dieser Effekt allerdings nicht zu beobachten. Der Anstieg 2020 fiel deutlich niedriger (+ 0,6 %) und der Rückgang 2021 deutlich stärker aus (- 10,1 %). Auch für 2022 wurde ein stärkerer Rückgang ausgewiesen (- 14,9 %). Während im Baugewerbe 2023 eine Stabilisierung zu beobachten war, ging die Produktivität im Bauhauptgewerbe weiter zurück (- 6,4 %).
Trotz der am aktuellen Rand stärkeren Rückgänge liegt die Produktivität im Bauhauptgewerbe 2023 „nur“ um 12 % unter dem Niveau von 1991. Die Entwicklung wies im Gegensatz zum gesamten Baugewerbe im Zeitverlauf starke Schwankungen auf, welche auf den Beschäftigtenabbau in der Rezessionsphase von 1995 bis 2005 sowie auf den Beschäftigtenaufbau von 2009 bis 2023 zurückzuführen ist. Letzterer erfolgte überwiegend mit weniger produktiven Hilfskräften, was zu einem Rückgang der Produktivität führte. Die Mehrzahl der Bauunternehmen hat es in der gesamten Zeit versäumt, in produktivere Arbeitsabläufe zu investieren, ihnen standen noch ausreichend - auch ausländische - Arbeitskräfte zur Verfügung.
Bei anhaltend hohem Baubedarf in den kommenden Jahren - worauf ein hoher Bedarf an zusätzlichen Wohnungen und der Nachholbedarf an Investitionen in die nach wie vor marode Infrastruktur hindeuten - und einem gleichzeitig zunehmenden, Demografie bedingten Fachkräftemangel, werden die Bauunternehmen nicht umhinkommen, in produktivitätssteigernde Maßnahmen zu investieren, wie z.B. Serien- und Vorfertigung, serielles Sanieren, 3D-Druck und BIM.
2. Berechnungsmethodik
Das Statistische Bundesamt berechnet die Arbeitsproduktivität in der Gesamtwirtschaft bzw. einer Branche, indem die preisbereinigte Bruttowertschöpfung (ohne MwSt.) zur Zahl der Beschäftigten oder zur Zahl der geleisteten Arbeitsstunden in Relation gesetzt wird. Im Folgenden werden die geleisteten Arbeitsstunden herangezogen, da hier die Teilzeitbeschäftigung keine Rolle spielt. In den „Kopfzahlen“ kann eben nicht zwischen Voll- und Teilzeit sowie marginalen Tätigkeiten differenziert werden. Deshalb ist eine Berechnung via Stunden für lange Zeitreihen vorzuziehen. Die (preisbereinigte) Bruttowertschöpfung einer Branche ergibt sich aus dem (preisbereinigten) Produktionswert (Waren und Dienstleistungen) abzüglich der (preisbereinigten) Vorleistungen (im Produktionsprozess verbrauchte, verarbeitete oder umgewandelte Güter und Dienstleistungen).
3. Empirischer Befund
Im Folgenden wird die Entwicklung der Arbeitsproduktivität im Baugewerbe und im Bauhauptgewerbe untersucht. Dabei liegt der Fokus auf dem Zeitraum von 1991 bis 2023, welcher in vier Phasen untergliedert wird: Zum einen in den Zeitraum von 1991 bis 1995, in dem die Firmen einen wiedervereinigungsbedingten Bauaufschwung mit einer starken Steigerung der Baunachfrage (Auftragseingang im Bauhauptgewerbe) von real 3,4 % p. a. stemmen mussten. Zum anderen in den Zeitraum von 1996 bis 2005, eine 10 Jahre währende Baurezession, welche auf den Wiedervereinigungsboom folgte, mit einem deutlichen Nachfragerückgang von real 5,4 % p. a. und einem starken Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. Der dritte Zeitraum betrifft die Jahre von 2006 bis 2020, einem - trotz Corona-Krise - anhaltenden Bauaufschwung, hervorgerufen durch niedrige Zinsen und eine - bis 2019 - gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung, sinkende Arbeitslosigkeit, steigende Löhne sowie eine zunehmende (Binnen-)Wanderung mit der damit einhergehenden Steigerung der Wohnungsnachfrage. In diesem Zeitraum ist der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe um real 2,0 % p. a. gestiegen. Seit 2021 befindet sich die Branche in einem Abschwung; hervorgerufen durch einen Nachfrageinbruch (insbesondere) im Wohnungsbau, welcher auf steigende Baumaterialpreise und Zinskosten zurückzuführen ist. Der reale Auftragseingang ist entsprechend um 3,7 % p. a. zurückgegangen.
3.1 Produktivität im Baugewerbe
Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ist die Arbeitsproduktivität im Baugewerbe von 1991 bis 2023 um 23 % gesunken, wobei sich die negative Entwicklung am aktuellen Rand beschleunigt hat. Der Rückgang wurde im Jahr 2020 unterbrochen (rechnerischer Anstieg der Produktivität von 3,1 %), was auf einen Zuwachs der Bruttowertschöpfung (bei gleichzeitigem leichten corona-bedingten Rückgang der Arbeitsstunden) aufgrund der Vorzieheffekte durch die befristete MwSt.-Absenkung zurückzuführen war. Dieses Plus wurde aber durch den Rückgang 2021 von 5,9 % mehr als aufgezehrt. Dieses Minus ist zum einen den überdurchschnittlichen Baupreissteigerungen und einem realen Produktionsrückgang (die vorgezogenen Umsätze 2020 fehlten 2021) bei gleichzeitigem Anstieg der Arbeitsstunden geschuldet. Der Einbruch 2022 von 11,2 % ist auf die starken Preissteigerungen bei Energie und Baumaterialien und somit Bauleistungen zurückzuführen. Auch sind die Kosten für die Vorleistungen deutlich stärker gestiegen als die Produktion. Gleichzeitig haben die Bauunternehmen an ihren Beschäftigten festgehalten. 2023 lagen die Bau(material)preissteigerungen unter dem Vorjahresniveau und haben den Anstieg der Produktion nicht vollständig aufgezehrt.
Im Vergleich zum Baugewerbe hat die Produktivität in der Gesamtwirtschaft von 1991 bis 2023 um 46 % und im Verarbeitenden Gewerbe – bei allerdings stärkeren zyklischen Ausschlägen - sogar um 103 % zugelegt. Die Unternehmen des Baugewerbes haben es also im Gegensatz zu den Unternehmen anderer Wirtschaftszweige nicht geschafft, ihre Produktivität zu steigern.
Dies liegt zum größten Teil an unterlassenen Investitionen: Während die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes ihre Bruttoinvestitionen in neue Anlagen von 1991 bis 2023 – trotz eines deutlichen coronabedingten Rückgangs 2020 - preisbereinigt um 23 % gesteigert haben, haben die Baufirmen diese im gleichen Zeitraum um 3,3 % reduziert. Diese schwache Entwicklung im Baugewerbe ist allerdings ausschließlich auf die Baurezession von 1996 bis 2005 zurückzuführen, als die Investitionen um 61 % gekürzt wurden. In der darauffolgenden Periode des Aufschwungs von 2006 bis 2020 haben die Bauunternehmen diese – allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau – real um 162 % erhöht. Mit Einsetzen des Abschwungs 2021 haben die Bauunternehmen ihre Investitionen wieder reduziert: 2023 lagen sie um 4,2 % unter dem Niveau von 2020.
Die Steigerung der Investitionen von 2006 bis 2020 hat allerdings nicht gereicht, die Produktivität zu steigern: Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hat das Baugewerbe in diesem Zeitraum (von 2006 bis 2020) einen Produktivitätsverlust von 0,4 % p. a. erlitten. Im Zeitraum von 1996 bis 2005 lag dieser mit plus 0,1 % p. a. zumindest im positiven Bereich – trotz Bauabschwung und rückläufigen Investitionen. Dies ist nicht verwunderlich, in diesem Zeitraum wurden – aufgrund des rezessionsbedingten deutlichen Personalabbaus – laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes die Arbeitsstunden (– 32,7 %) stärker reduziert als die reale Produktion (– 28,7 %).
3.2 Produktivität im Bauhauptgewerbe
3.2.1 Berechnungsmethodik: Produktion ohne Vorleistung
Das Statistische Bundesamt weist die Produktivität im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) nur für das gesamte Baugewerbe aus, welches neben dem Bauhauptgewerbe auch das Ausbaugewerbe enthält. Eine differenzierte Betrachtung des Bauhauptgewerbes wird nicht vorgenommen. Es ist aber möglich, mit Hilfe der Kostenstrukturstatistik eine vergleichbare Berechnung durchzuführen, da diese den Bruttoproduktionswert, die Vorleistungen und auch die Bruttowertschöpfung ausweist, allerdings nur nominal und nur für die Unternehmen des Bauhauptgewerbes mit 20 und mehr Beschäftigten.
Die Deflatoren zur Preisbereinigung werden in diesem Fall für die Vorleistungen aus den VGR und für den Bruttoproduktionswert aus der Baupreisstatistik (Durchschnitt der vorhandenen Indizes für den Rohbau im Hochbau und den Tiefbau, ohne MwSt.) herangezogen, die Arbeitsstunden aus dem Monatsbericht des Bauhauptgewerbes. Letztere enthalten allerdings nur die Arbeitsstunden auf Baustellen, die Arbeitsstunden der Angestellten wurden unter Berücksichtigung der Beschäftigtenstruktur aus der Ergänzungserhebung hinzugeschätzt. Demnach lag die Produktivität der Unternehmen des Bauhauptgewerbes mit 20 und mehr Beschäftigten 2023 um 12 % unter dem Niveau von 1991 und damit etwas höher als die Produktivität im gesamten Baugewerbe. Allerdings wies das Bauhauptgewebe deutlich stärkere Ausschläge auf als das Baugewerbe insgesamt.
In der Phase der Baurezession stieg die Produktivität stark an (1996 – 2005: + 3,8 % p. a.), in Zeiten des Bauaufschwungs nahm sie hingegen ab (1991 – 1995: - 0,5 % p. a., 2006 – 2020: - 1,0 % p. a.). Diese Entwicklung ist nachvollziehbar: In Zeiten des Abschwungs wird die Zahl der Beschäftigten (und somit die Zahl der Arbeitsstunden) zumeist deutlicher reduziert als der Umsatz. Dass dieser nicht im gleichen Maße zurückgeht, ist darauf zurückzuführen, dass zumeist die unproduktiveren Beschäftigten das Unternehmen verlassen müssen. Gleichzeitig sind die Preise aufgrund des starken Wettbewerbs zurückgegangen bzw. deutlich unterdurchschnittlich gestiegen. Die Produktivitätssteigerung ist somit nicht auf einen technischen Fortschritt zurückzuführen, sondern vor allem auf einen rein rechnerischen Effekt aufgrund der Reduzierung der Belegschaft.
In Zeiten des Aufschwungs wird hingegen vermehrt Personal eingestellt, zusätzlich werden Überstunden gemacht, inländische Subunternehmer eingesetzt und – sofern möglich – auf ausländische Kapazitäten zurückgegriffen. Der Einsatz von in- und ausländischen Subunternehmern erhöht die Vorleistung, was wiederum die eigene Bruttowertschöpfung reduziert. Hinzu kommt, dass die Produktivität der neuen Kapazitäten niedriger ist als die der ursprünglich Beschäftigten: So wurden für die Steigerung der realen Bruttowertschöpfung um 19 % im Bauhauptgewerbe (Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten) von 2006 bis 2020 38 % mehr Arbeitsstunden benötigt. Die Integration von vorwiegend geringqualifizierten Arbeitskräften in den Bauarbeitsmarkt ist somit eine der Ursachen für den Rückgang der Produktivität (s. u.).
Der deutliche Unterschied zur Entwicklung im gesamten Baugewerbe ist zum einen darauf zurückzuführen, dass bei der Berechnung für das Bauhauptgewerbe nur die Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten enthalten sind (s.o.) und zum anderen, dass im gesamten Baugewerbe neben dem Bauhauptgewerbe auch das Ausbaugewerbe enthalten ist, welches überwiegend von Kleinbetrieben dominiert wird. Diese haben – im Gegensatz zu größeren – nicht die Möglichkeit, in Phasen des Aufschwungs auf ausländische Kapazitäten zurückzugreifen. Der Personalaufbau war für die Ausbaubetriebe somit deutlich schwieriger; Personalengpässe in Aufschwungphasen mussten durch Produktivitäts- und überdurchschnittliche Preissteigerung aufgefangen werden.
Zudem gibt es ein weiteres Problem bei der Messung der Produktivität in der Bauwirtschaft: Einige Leistungen, die früher durch Bauunternehmen erbracht wurden, wie Planungsleistungen, werden nun vermehrt durch Planungs- und Architekturbüros erbracht, die nicht mehr dem Baugewerbe zugerechnet werden. Entsprechend ist die Zahl der (sozialversicherungspflichtig) Beschäftigten in Architektur- und Ingenieurbüros im Zeitraum von 2005 bis 2023 um 71 % gestiegen. Im Vergleich dazu hat die (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigung im Bauhauptgewerbe im gleichen Zeitraum lediglich um 21 % zugelegt. Somit wurden produktivitätssteigernde Arbeiten ausgelagert und über Vorleistungen wieder eingekauft. Da diese aber per Definition in der Bruttowertschöpfung des Bau(haupt)gewerbes nicht mehr enthalten sind, fällt die Produktivitätssteigerung in der Bauwirtschaft entsprechend niedriger aus. Es empfiehlt sich somit, auch die Entwicklung der Produktivität inklusive der Vorleistungen zu betrachten.
3.2.2 Berechnungsmethodik: Produktion inkl. Vorleistung
Für diese Berechnung wird der baugewerbliche Umsatz aus dem Jahresbericht des Bauhauptgewerbes herangezogen. Im Gegensatz zur Kostenstrukturstatistik ist hier die Berechnung für alle Betriebe (auch die mit weniger als 20 Beschäftigten) möglich. Auch hier muss man berücksichtigen, dass die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden auf Baustellen, um die der Angestellten aufgeschätzt wurde. Zusätzlich zur Arbeitsproduktivität aller Betriebe wird noch die der Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten in der Grafik dargestellt, um die Entwicklung mit den oben dargestellten Ergebnissen vergleichen zu können.
Die auf diese Art berechnete Arbeitsproduktivität hat im Bauhauptgewerbe seit Anfang der 90er Jahre bei allen Betrieben - trotz deutlichem Rückgang am aktuellen Rand - um 21 % zugenommen (+ 0,6 % p.a.). Bei den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ergibt sich sogar eine deutlich stärkere Produktivitätssteigerung von 39 % (+ 1,1 % p.a.). Auch hier zeigt sich wieder eine unterschiedliche Entwicklung in den Aufschwung- und Abschwungphasen.
Allerdings ist die Produktivität in der ersten Aufschwungphase von 1991 bis 1995 im Gegensatz zur o.g. Berechnung nicht gesunken, sondern gestiegen: Bei allen Betrieben des Bauhauptgewerbes um 3,2 % p.a. und bei den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten sogar um 4 % p.a.. Dies ist auf den überdurchschnittlich starken Zuwachs der (preisbereinigten) Vorleistungen zurückzuführen (siehe Grafik unter 3.1), die in dieser Berechnungsmethodik nicht herausgerechnet wurden. Aus diesem Grund fällt auch die Entwicklung der Produktivität in der Aufschwungphase ab 2006 nicht so negativ aus wie unter Punkt 1: Im Bauhauptgewerbe ist die Produktivität im Zeitraum von 2006 bis 2020 bei den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten um 0,2 % p. a. gesunken, bei allen Betrieben sogar minimal (+0,1 %) gestiegen. Im Zuge des Abschwungs von 2020 bis 2023 sank die Produktivität p.a. hingegen um 6 % bzw. 5,8 %. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen haben die Bauunternehmen im Gegensatz zur Rezessionsphase 1995 bis 2005 ihre Preise nicht reduziert. Im Gegenteil: Aufgrund der deutlich angezogenen Baumaterial- und Energiepreise sowie Zinskosten zogen die Baupreise um 34 % an. Zum anderen haben die Bauunternehmen die Zahl ihrer Beschäftigten nicht reduziert, die Zahl der Arbeitsstunden legte sogar leicht um ca. 3,1 % bzw. 1,6 % zu. Die Unternehmen versuchen, angesichts des hohen Baubedarfs bei aber derzeit (kostenbedingt) gesunkener Nachfrage ihre Belegschaft für bessere Zeiten zu halten. Zusätzlich musste aufgrund der gestiegenen Berichtspflichten (s.u.) mehr Personal eingestellt werden.
4 Gründe für die niedrige Produktivität im Bau(haupt)gewerbe
Die aufgezeigten Messprobleme der Produktivität im Bauhauptgewerbe sind zwar zum Teil erheblich, dennoch bleibt die Diagnose einer unterdurchschnittlichen Entwicklung der Arbeitsproduktivität bestehen und hat vorwiegend realwirtschaftliche Gründe. So ist der Zeitraum von 1991 bis heute in der Bauwirtschaft durch viele Veränderungen gekennzeichnet. Der kurzen wiedervereinigungsbedingten Boomphase folgte eine langanhaltende Rezession mit einem starken Anstieg der Unternehmensinsolvenzen und einem äußerst hohen Beschäftigtenrückgang.
Den darauffolgenden Aufschwung ab 2006 haben die Unternehmen erst ab 2009 als nachhaltig empfunden und erst dann angefangen, Personal aufzubauen. Bis dahin wurde die zunehmende Nachfrage über einen Anstieg von Überstunden abgefedert. Ab 2016 mehrten sich die Meldungen über Behinderungen der Bautätigkeit aufgrund von Fachkräftemangel. Der deutliche Anstieg der Maschinenauslastung der Bauunternehmen setzte sogar schon 2010 ein und erreichte (im Jahresdurchschnitt) seinen Höhepunkt 2018 mit einer Auslastung von 79 % (2023: 74 %).
In sämtlichen Phasen seit 1991 waren die Unternehmen entweder mit dem (kurzfristigen) Aufbau von Kapazitäten oder mit dem „Überleben“ beschäftigt. Auch der bis 2020 anhaltende Aufschwung wurde nicht ausreichend genutzt, um über vermehrte Investitionen in neue Technologien die Produktivität zu erhöhen. Die Mitarbeiter in den Unternehmen waren zu sehr damit beschäftigt, die gestiegene Nachfrage zu bedienen. Insbesondere, da die Unternehmen des Bauhauptgewerbes noch die Möglichkeit hatten, sowohl auf inländische als auch auf ausländische Personalkapazitäten zurückzugreifen.
4.1 Arbeitskräfte (noch) verfügbar
Die Unternehmensentscheidung für oder gegen einen Produktionsfaktor (Arbeit oder Kapital) beruht auf deren Verfügbarkeit und auf der Abwägung von Kosten. Nachdem die Möglichkeit der Überstunden ausgereizt war und sich der Bauaufschwung als nachhaltig erwies, haben sich die Bauunternehmen für einen dauerhaften Beschäftigtenaufbau entschieden.
4.1.2 Auf dem deutschen Bauarbeitsmarkt
Die stille Reserve auf dem deutschen Bauarbeitsmarkt war noch ausreichend hoch: Die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter mit bauhauptgewerblichen Berufen lag im Jahresdurchschnitt 2007 (ältere Daten liegen nicht vor) bei 70.000. Davon wurden bis 2023 knapp 54.000 in den Arbeitsmarkt reintegriert. Im Jahresdurchschnitt 2023 waren bei der Bundesagentur für Arbeit nur noch 16.000 Baufacharbeiter arbeitslos gemeldet, inkl. Helfern waren es 40.000.
Zwischenfazit: Die Reserve ist nahezu aufgebraucht.
Hinzu kommt, dass einem Beschäftigtenaufbau über eine vermehrte Ausbildung Grenzen gesetzt sind. Die Bauunternehmen haben zwar die Zahl der neuen gewerblichen Auszubildenden lt. der Sozialkassen der Bauwirtschaft von 2005 bis 2021 um 37 % auf 13.557 erhöht. Aufgrund der Abschwächung am Bau sowie aufgrund des demografischen Wandels ging die Zahl bis 2023 aber um 14 % auf 11.642 zurück. Dies reicht noch nicht einmal, um den Abgang in die Rente (ca. 18.000) und den Wechsel in andere Wirtschaftszweige auszugleichen.
4.1.3 Auf dem ausländischen Bauarbeitsmarkt
Der Beschäftigtenaufbau der vergangenen Jahre erfolgte vor allem über den ausländischen Bauarbeitsmarkt. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bauhauptgewerbe mit einem ausländischen Pass ist von 8 % im Jahr 2008 auf 24 % 2023 gestiegen. Gleichzeit hat sich die Zahl der temporär aus dem Ausland auf den deutschen Baumarkt entsandten Personen von 51.000 im Jahr 2009 auf 94.000 im Jahr 2023 fast verdoppelt.
Zwischenfazit: Mit zunehmender Verbesserung der (Bau-)Konjunktur in den europäischen Ländern, aus denen die zusätzlichen Personalkapazitäten stammen, wird es für deutsche Unternehmen in Zukunft schwieriger werden, auf diese zurückzugreifen. Hinzu kommt, dass auch diese Länder vom demografischen Wandel betroffen sind.
4.2 Beschäftigungsaufbau überwiegend über Geringqualifizierte
Die Integration von vorwiegend geringqualifizierten Arbeitskräften in den Arbeitsmarkt ist eine Ursache für den Rückgang der Produktivität. Laut Bundesagentur für Arbeit ist der Anteil der Helfer an den gesamten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Bauhauptgewerbe von 15 % im Jahr 2013 auf 21 % im Jahr 2023 gestiegen (die Daten liegen erst ab 2013 vor). Der Anteil der Fachkräfte ist hingegen im gleichen Zeitraum von 71 % auf 63 % zurückgegangen.
Aber auch der Anteil der kfm./techn. Angestellten (eine weitere Differenzierung ist nicht möglich) an den gesamten Beschäftigten im Bauhauptgewerbe hat in den vergangenen Jahren zugelegt. Laut Statistischem Bundesamt ist der Anteil von 15,9 % 1995 auf 22,2 % 2023 gestiegen. Dies ist auch auf die zunehmenden Berichtspflichten zurückzuführen, welche im vergangenen Jahr noch einmal zugenommen haben. Für die Einhaltung von Berichtspflichten, wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, dem Hinweisgeberschutzgesetz, der Ersatzbaustoffverordnung, dem Energieeffizienzgesetz sowie zunehmende Nachhaltigkeitsberichtserstattungspflichten wird immer mehr Personal benötigt, welches aber nicht produktiv (im Sinne von wertschöpfungserhöhend) tätig ist. Im Gegenteil, die Höhe der Gemeinkosten ist gestiegen und wird weiter steigen und somit die Produktivität senken.
4.3 Arbeitskosten (noch) relativ gering
Die Entscheidung für einen Beschäftigtenaufbau (und somit gegen einen vermehrten Einsatz von Kapital für Investitionen) ist – neben der Verfügbarkeit – auch darauf zurückzuführen, dass die Arbeitskosten im Baugewerbe vergleichsweise niedrig waren. So lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst im Baugewerbe 2007 (2. Quartal) bei 2.560 Euro (ohne Sonderzahlungen) und damit um 19 % unter dem des Verarbeitenden Gewerbes. Im Hoch- und Tiefbau lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst bei 2.700 Euro und der Abstand damit bei 15 %. Diese Lücke hatte sich bis 2020 reduziert (11 % bzw. 3 %). Dies war aber auch darauf zurückzuführen, dass die Gehälter im Verarbeitenden Gewerbe - im Gegensatz zum Baugewerbe - coronabedingt 2020 deutlich zurückgegangen sind. Aufgrund des darauffolgenden Aufholprozesses hat der Abstand wieder zugenommen und lag 2023 (20 % bzw. 12 %) sogar über dem von 2007. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst (ohne Sonderzahlungen) lag im 2. Quartal 2023 im Baugewerbe bei 3.600 Euro, im Hoch- und Tiefbau bei knapp 4.000 Euro und im Verarbeitenden Gewerbe bei 4.500 Euro. Die deutlichen Unterschiede sind natürlich auch darauf zurückzuführen, dass im Baugewerbe der Anteil geringer qualifizierter Beschäftigten, mit entsprechend niedrigerem Gehalt, deutlich höher ist. Im Bauhauptgewerbe liegt der Anteil der Helfer bei 21 %, im Baugewerbe bei 19 % und im Verarbeitenden Gewerbe bei 15 %.
4.4 Niedrige und „falsche“ Investitionen
Die Investitionstätigkeit der Bauunternehmen ist regelmäßig ein Spiegel der baukonjunkturellen Entwicklung. Zu Zeiten einer stark wachsenden Baunachfrage in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung lag das Investitionsniveau im Baugewerbe jährlich bei gut 8 bis 9 Mrd. Euro. Zum Ende der zehnjährigen Baukrise im Jahr 2005 waren es mit 3,3 Mrd. Euro etwa zwei Drittel weniger. 2023 lagen die Investitionen in neue Anlage bei 11,2 Mrd. Euro und damit nominal 21 % über dem Höchststand zum Wiedervereinigungsaufschwung im Jahr 1993. Real betrachtet wird der Wert der Investitionen aber durch die Preissteigerung deutlich abgeschwächt: Die Unternehmen haben 2023 preisbereinigt 12 % weniger investiert als 1993. Demgegenüber haben die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes 2023 preisbereinigt 55 % mehr in neue Anlagen investiert als 30 Jahre zuvor.
Dass die Investitionen in Zeiten der Baurezession zurückgefahren wurden, lag – neben den knappen Finanzmitteln – auch daran, dass die Zinssätze für Unternehmenskredite zu Beginn der Baurezession noch bei über 6 % lagen. Auch zu Beginn des Aufschwungs Anfang 2006 lagen sie noch bei annähernd 4 % und 2008 sogar wieder bei 5,5 %. Somit standen hohen Kapitalkosten vergleichsweise niedrige Arbeitskosten gegenüber. Erst seit 2014 lagen die Zinssätze für Unternehmenskredite für einen sehr langen Zeitraum (bis 2021) dauerhaft unter 2 %.
Neben zu geringen Investitionen spielt auch eine Rolle, dass die Bauunternehmen die Priorität überwiegend auf Ersatzinvestitionen und nicht auf Innovationen legen: Während im Rahmen der DIHK-Konjunkturumfrage regelmäßig 80 % der befragten Bauunternehmen als Hauptmotiv für ihre Investitionen den Ersatzbedarf angaben, gab nur max. jedes fünfte die Produktinnovation als Motiv an. Letzteres hatte zwischenzeitig aber an Bedeutung gewonnen: 2005 gab dies nur jedes zehnte Bauunternehmen an. Aufgrund der deutlichen Abschwächung der Baukonjunktur gaben im Herbst 2023 aber nur noch 17 % der befragten Bauunternehmen an, in Produktinnovation investieren zu wollen.
Zwischenfazit: Erst wenn der Faktor Arbeit noch knapper und somit teurer wird, werden die Investitionen im Bauhauptgewerbe vermutlich deutlich steigen.
4.5 Regulatorische Hemmnisse
Neben der mangelnden Generierung technischen Wissens / technischen Fortschritts im Baugewerbe hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in seinem aktuellen Gutachten von 2024 zur Volkswirtschaftlichen Bedeutung der Bauwirtschaft bei den Gründen für die geringe Produktivität auch eine Vielzahl regulatorischer Hemmnisse ermittelt. Dazu zählen:
• Lange Planungs- und Genehmigungsphasen binden Ressourcen, ohne dass Wertschöpfung stattfindet. Die effiziente Nutzung vorhandener Baukapazitäten wird verhindert.
• Die Personalkapazitäten in vielen Bauämtern sind zu gering, die Ausstattung mit moderner (digitaler) Technik nicht ausreichend. Fehlende Digitalisierung stellt generell ein wesentliches Wachstumshemmnis dar.
• Im Öffentlichen Bau gibt es Probleme und Verzögerungen durch die Trennung von Planung und Bau und die kleinteilige Auftragsvergabe. Es kommt regelmäßig zu Abweichungen zwischen dem vorgegebenen Soll und dem Ist, mit der Konsequenz von Verzögerungen und Kostensteigerungen. Durch Zusammenführung von Planung und Bau können „Kooperationsrenditen“ gehoben werden.
• Die fehlende Digitalisierung in der Wertschöpfungskette Bau verhindert den Einsatz von BIM. Planung und Bau können nicht auf ein gemeinsames Tool zurückgreifen, um so frühzeitig Probleme zu erkennen und nach Lösungen suchen zu können.
• Vielfältige und sich ständig verändernde Vorgaben zur Bauqualität sind ein weiteres Hemmnis, vor allem im Wohnungsbau.
• Unterschiedliche Landesbauordnungen und lokale Baustandards behindern eine effiziente Produktion, gerade auch im seriellen Bau.
• Das Rechtskonstrukt der „anerkannten Regeln der Technik“ mit der Klagemöglichkeit der Bauherren verhindert Innovationen. Die Experimentierklauseln in Bauordnungen bleiben ungenutzt.
Unser Gesamtfazit:
Die ungenutzten Personalkapazitäten im Inland (Arbeitslose) sind nahezu ausgeschöpft. Auch erschwert der demografische Wandel den Personalaufbau durch vermehrte Ausbildung. Dieser Wandel ist auch in den anderen europäischen Ländern zu beobachten. Somit wird es – auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Verbesserung der Baukonjunktur in den europäischen Ländern, aus denen die zusätzlichen Personalkapazitäten stammen - für deutsche Unternehmen in Zukunft schwieriger werden, auf ausländische Arbeitskräfte zurückzugreifen.
An einer nachhaltigen Steigerung der Produktivität durch Erhöhung der Investitionen zur Verbesserung der Arbeitsprozesse führt kein Weg mehr vorbei. Dies kann durch digitalisierte Arbeitsprozesse erreicht werden, wie etwa den vermehrten Einsatz der Building Information Modeling Methodik (BIM) nicht nur bei großen, sondern auch bei kleinen und mittleren Projekten im Hoch- aber auch im Tiefbau. Mindestens ebenso wichtig sind Kooperationen, integriertes Arbeiten und Partnerschaften. Schlussendlich baut die Bauindustrie das, was bestellt wird: Die Branche ist in erster Linie Dienstleister, eine produktivitätssteigernde Verbesserung von Bauprozessen kann also nur zusammen mit den Auftraggebern erreicht werden, regulatorische Hemmnisse müssen dringend abgebaut werden.