AwF 110 Leistungsverzeichnis, Ausschreibung, Vergabe

Definition und Zielsetzung

Im AwF 110 werden das Leistungsverzeichnis, die Ausschreibung und die Vergabe zusammengefasst. Im Folgenden werden die beiden Bereiche Leistungsverzeichnis und Ausschreibung differenziert betrachtet.

Umsetzung

In den Bereichen Leistungsverzeichnis und Ausschreibung müssen kurzfristige und langfristige Umsetzungsschritte erfolgen, die stufenbasiert aufeinander aufbauen.

Leistungsverzeichnis
LV-Struktur
Der LV-Struktur kommt eine ganz besondere Bedeutung zu: Die Strukturen des Modells und das Leistungsverzeichnis müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass daraus z.B. ein Bauzeitenplan (4D-Modell) erzeugt werden kann. Unter anderem sind Bauabschnitte in der Modell- und LV-Struktur zu berücksichtigen.

LV-Langtext
Kurzfristig bleibt der LV-Langtext im VOB-Vertrag unverändert die vertraglich bindende Spezifikation der auszuführenden Leistung. Das Modell hat in dieser frühen Anwendungsphase lediglich erläuternden Charakter, so wie aktuell die Baubeschreibung und Pläne. Derzeit ist der STLK die Grundlage für die LV-Langtexte.

Langfristig wird sich die Verfahrensweise umdrehen und somit das Modell die Informationsquelle sein. Das Modell wird „the single source of truth“ und somit vertraglich bindend. Das LV ist nun eine abgeleitete Beschreibung des Modells aus den bundeseinheitlich definierten Klassen und Merkmalen. Eine Formulierung anhand von standardisierten Texten (Leistungsverzeichnissen) entfällt, da alle für die Preisbildung relevanten Merkmale mit ihren Ausprägungen gelistet werden. Weiterhin werden bauzeitliche und abrechnungsrelevante Merkmale aufgeführt.

Leistungspositionen
Um BIM zeitnah zu etablieren, müssen LV-Positionen eindeutig dem Modell zugeordnet werden. Für jedes Objekt im Modell soll eine LV-Position existieren. LV-Positionen, die unterschiedliche Leistungen beschreiben und unter Umständen auch noch in verschiedenen Bauphasen ausgeführt werden, sind zu vermeiden. Entsprechend ist die Struktur des Modells aufzusetzen. Für diese relevanten Leistungen sind eigene Positionen zu bilden. Die gängige Praxis, dass kostenrelevante Leistungen in Einheitspreise anderer Positionen bzw. allgemein eingerechnet werden sollen, ist zukünftig nicht länger anzuwenden. Einzurechnende Leistungen sind auf die in VOB/C als Nebenleistungen deklarierten Leistungen zu beschränken.

Langfristig erübrigt sich diese Anforderung, da die eindeutige und erschöpfende Definition der Leistung aus dem Modell (Klassen und Merkmale) generiert wird.

Positionen ohne geometrische Eigenschaften
Kurzfristig: Solche Positionen beschreiben Leistungen, die keine direkte Erstellung von Bauteilen beinhalten und für die daher keine Mengenermittlungen aus dem Modell möglich sind (z. B. BE/BR, Planungs- u. Koordinierungsleistungen, etc.). Damit diese Positionen terminlich in einem 4D-Modell und mit den Kosten in einem 5D-Modell berücksichtigt werden können, sind diese Leistungen als Platzhalterobjekte im Modell abzubilden. Kurzfristig bleibt das LV maßgeblich.

Langfristig wird die Umsetzung der Integration von Positionen ohne geometrische Eigenschaften im Modell übergeordnet (BIM Deutschland bzw. bei buildingSMART) festgelegt.

Ausschreibung
Die Ausschreibung in diesem Kontext beschreibt die Angebotsabgabe durch den Bieter.

Wie im Abschnitt davor beschrieben, bleibt das LV kurzfristig, das wesentliche vertraglich bindende Dokument. Das übergebene Modell hat daher nur erläuternden und keinen rechtlich verbindlichen Charakter. Aus diesem Grund gibt der Bieter kein Modell mit Einheitspreisen ab, sondern ausschließlich ein verpreistes LV.

Langfristig gibt der Bieter ein Modell mit hinterlegten Preisen ab.

Kalkulation
Kurzfristig werden die Kosteninformationen unverändert als verpreistes LV und gegebenenfalls über eine abzugebende Urkalkulation übergeben.

Langfristig können Kosteninformationen an das Modell angehängt werden (5D-Modell). Das ermöglicht zusammen mit der 4D-Planung eine Visualisierung des Baufortschritts und der damit verbundenen Kostenentwicklung im zeitlichen Verlauf. Wie die Urkalkulation modellbasiert erstellt und abgebeben wird, ist noch gemeinsam zu definieren (zwischen AG und Bauindustrie).

Vergabe durch den AG
Die Auftragsvergabe erfolgt grundsätzlich nach wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten. Technische Nebenangebote sollten zugelassen werden. Bezüglich der Berücksichtigung von weiteren Wertungskriterien verweisen wir auf die Veröffentlichung der BFA Straßenbau „Positionspapier Wertungskriterium Technischer Wert“.

Der Auftraggeber fordert in der Veröffentlichung „Umsetzung des Stufenplans Digitales Planen und Bauen – Szenariendefinition und Empfehlung“ von BIM4INFRA die Einführung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, um ausschließlich qualifizierte und erfahrene Anbieter an Vergabeverfahren zu beteiligen.

Eignung:
Nach VOB/A bzw. GWB kann ein Zuschlag nur an geeignete Bieter erteilt werden. Eignungskriterien sind:

  • Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung
  • Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit
  • Technische und berufliche Leistungsfähigkeit
  • in einem Präqualifikationssystem geregelt

 

Herausforderung

Diskriminierungsfreie BIM-Eignungskriterien anhand von PQ-Qualifizierungssystemen für Ausschreibende, Planer und Bieter sind zu erarbeiten. Ergänzung des Präqualifikationssystem (PQ-Verein) um BIM-Eignungskriterien.

Kurzfristig
 stellt hierzu die Auftraggeber Vertretung in Zusammenarbeit mit der Bauindustrie und anderen Beteiligten eine allgemein gültige Kriterienliste zur Verfügung. Eine zusätzliche, projektindividuelle Eignungsdefinition wird seitens der Bauindustrie abgelehnt. Die Anforderungen richten sich gleichermaßen an alle Projektbeteiligten (Planer, Gutachter, AG, Bauoberleitung, Bauüberwachung, Bauausführung, etc.). Mit der Erweiterung der bestehenden Präqualifikationssysteme ist zu beginnen.

Langfristig ist die Eignung über Präqualifikationssysteme oder Einzelnachweise zu erbringen.