Bedeutung der Sanierungsrate
Die aktuelle Sanierungsrate ist zu niedrig, um die CO2-Emissionen des Gebäudesektors, wie von der Bundesregierung angestrebt, zu senken und im vorgegebenen Zeitrahmen einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Denn im Gebäudesektor sind die langen Investitionszyklen zu beachten: Da umfassende Sanierungen im Regelfall nur einmal je Generation durchgeführt werden, müssen die Weichen für einen CO2-neutralen Gebäudebestand in der Mitte des Jahrhunderts bereits jetzt gestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die sektorscharfen Minderungsziele und den linearen Minderungspfad bereits kurzfristig deutliche Emissionseinsparungen im Gebäudesektor erzielt werden müssen. Mit der ab 2021 gebündelten „Bundesförderung effiziente Gebäude“ sowie der 2020 eingeführten steuerlichen Sanierungsförderung für Selbstnutzer stellt die Bundesregierung wichtige Anreize etwa für Heizungsmodernisierung, Dach- und Fassadendämmung sowie Fensteraustausch bereit. Ein wichtiger neuer Förderstrang wird darüber hinaus erstmals mit einem innovativen Förderprogramm für das Serielle Sanieren aufgesetzt. Ziel muss sein, den Gebäudebestand zeitnah umfangreich zu sanieren und so Voraussetzungen für die vollständige Nutzung erneuerbarer Energien und damit für die Klimaneutralität zu schaffen. Hierfür müssen Hemmnisse beseitigt und einfache, unkompliziert und unbürokratisch nutzbare Angebote geschaffen werden. Um die Sanierungsrate zu steigern, setzt sich die Klimarunde BAU für folgende Optimierungen der wirtschaftlichen Anreize und eine gezielte Marktentwicklung ein:
Steuerliche Rahmenbedingungen für alle Gebäudetypologien verbessern
Nicht nur für Eigenheimbesitzer, sondern auch für Eigentümer von vermieteten Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden müssen steuerliche Sanierungshemmnisse beseitigt und zusätzliche finanzielle Anreize für energetische Sanierungen geschaffen werden. Es wäre daher sinnvoll, anschaffungsnah entstehende Kosten für energetische Modernisierungsmaßnahmen sofort zu berücksichtigen, auch wenn sie die bislang geltende Grenze von 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Darüber hinaus sollten den Standard erhöhende energetische Sanierungen nicht über die Nutzungsdauer des Gebäudes abgeschrieben werden müssen, sondern sofort oder über einen verkürzten Zeitraum erfolgen, um entsprechende Maßnahmen anzureizen.
Ganzheitlich fördern, Sanierungsfahrpläne stärken
Energieeffizienz im Gebäudesektor erfordert das ganzheitliche Zusammendenken von Gebäudehülle, Gebäudetechnologie, erneuerbarer Energieversorgung und smarter Bewirtschaftung. Damit Förderprogramme ihre Wirksamkeit erhöhen können, müssen die Schnittstellen zwischen einzelnen Fördermaßnahmen verbessert werden. So sollte jeder Immobilieneigentümer eines Bestandsgebäudes – etwa beim Eigentumsübergang – im Rahmen eines individuellen Sanierungsfahrplans umfassend über die notwendigen Sanierungsmaßnahmen für die Schaffung eines klimaneutralen Gebäudes sowie über die möglichen Förderungen informiert werden. Damit würde jedes Gebäude eine individuelle Sanierungsstrategie erhalten; Fehlinvestitionen oder ungenutzte Potenziale würden vermieden. Ebenfalls sinnvoll ist die stärkere, auch förderrechtliche Verknüpfung von Sanierungen mit anderen Maßnahmen wie der Verdichtung und Aufstockung von Gebäuden, da so innerhalb bestehender Infrastrukturen zusätzlicher energieeffizienter Wohnraum geschaffen und weiterer Flächenverbrauch verringert werden kann.
Bessere Anreize für aufwendige Maßnahmen setzen
Insbesondere Selbstnutzer scheuen aufgrund der damit verbundenen Kosten häufig die Durchführung aufwendiger Sanierungsmaßnahmen. Dabei sind aufeinander abgestimmte Maßnahmen für die Steigerung der Energieeffizienz eines Gebäudes notwendig, um durch eine energieeffiziente Gebäudehülle die Nutzung klimaneutraler Niedertemperaturtechnik bei der Wärmeerzeugung überhaupt erst möglich zu machen. Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen, die nicht ohnehin in periodischen Abständen anfallen, sollten daher höher gefördert werden als durch die aktuelle Einzelmaßnahmenförderung von 20 Prozent, auch wenn zunächst kein KfW-Effizienzhaus-Niveau erreicht werden kann. Ebenfalls ein wirksamer Anreiz wäre die Staffelung der Förderhöhe nach der realen Minderung der mit den Maßnahmen verbundenen CO2-Emissionen.
Erweiterung der Förderlandschaft in Richtung Marktentwicklung
Der Fokus von Forschung und Förderung war bisher vor allem auf Gebäudetechnologie und die Bauherrnperspektive ausgerichtet. Um jedoch die erforderliche Steigerung der Sanierungsrate zu erzielen, braucht es auch ein ausreichendes Angebot. Beispiele sind Net-Zero-Konzepte oder industrielle Sanierungsweisen, die das Sanieren großer Gebäudeportfolios erleichtern. Die Entwicklung dieses Marktes muss zukünftig gezielt auch auf die Anbieterseite erweitert werden. Die Förderlandschaft – sowohl im Bereich Fördern wie Forschen – sollte die Transformation der Bauwirtschaft und die Unterstützung von Unternehmen auf dem Weg zu neuen Geschäftsmodellen gezielt unterstützen.
Die Klimarunde BAU
Die Klimarunde BAU hat sich als Zusammenschluss wesentlicher Teile der Wertschöpfungskette das Ziel gesetzt, Klimaschutzpotenziale im Baubereich zu erkennen und zu heben, voneinander zu lernen und Ansprechpartner für die Politik zu sein. Die Partner der Klimarunde BAU sind sich einig im Ziel, Klimaneutralität im Bausektor zu erreichen. Dabei setzen sie sich für ganzheitliche Lösungsansätze ein.
Mit gemeinsam erarbeiteten Positionierungen beleuchtet die Klimarunde BAU ihre Vorstellungen hin zur Erreichung des Klimaziels. Das vorliegende Papier gehört zu einer Reihe von Ergebnissen des laufenden Diskussionsprozesses. Dabei ist die Identifikation von Themen und Lösungsvorschlägen für die Klimarunde nicht abschließend, sondern soll fortlaufend aktualisiert und ergänzt werden.
Stand Mai 2021