Die zunehmende Mobilität der Gesellschaft, das Wirtschaftswachstum sowie die zentrale Lage als Verkehrsdrehscheibe in der Mitte Europas haben in Deutschland zu einem starken Verkehrswachstum geführt. Zwischen 1991 und 2022 legte die inländische Güterverkehrsleistung (Mrd. Tonnenkilometer auf Straße, Schiene und Wasser) um 74 % zu, die Personenverkehrsleistung (Mrd. Personenkilometer), die ab 2020 wegen der Corona-Beeinträchtigungen drastisch zurückging, um 16 %. Dies hat - zusammen mit den in der Vergangenheit nicht ausreichenden Erhaltungsinvestitionen - zu einer deutlichen Qualitätsverschlechterung vor allem bei den Bundesverkehrswegen geführt.
In der Prognose, die Grundlage für die Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans 2016 bis 2030 war, wurde bis 2030 mit einem weiteren Wachstum im Güterverkehr von 20 % und im Personenverkehr von 11 % gerechnet. Allerdings wurden in der Vergangenheit die Verkehrsprognosen regelmäßig von der Realität überholt.
Auch das angestrebte Ziel der Verlagerung bei Gütertransporten von der Straße auf die Schiene bzw. die Bundeswasserstraßen wurde nicht erreicht. Der Anteil der Straße an der Güterverkehrsleistung (Mrd. Tonnenkilometer) lag 2022 mit 73 % auf einem unverändert hohen Niveau. Mit dem weiter zunehmenden Verkehr wird auch das Instandhaltungsproblem weiter vergrößert. Allerdings steuert das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur seit einigen Jahren mit einem Sonderprogramm zur Brückenertüchtigung dagegen.
Zu den Auswirkungen der Qualitätsprobleme bei der Infrastruktur, nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Länder- bzw. kommunaler Ebene, befragte das Institut der Deutschen Wirtschaft 2013, 2018 und 2022 bundesweit zwischen 1.700 und 2.600 Unternehmen. Dabei zeigte sich im Zeitablauf eine deutliche Abnahme bei der Qualitätsbewertung der Infrastruktur. Beklagten 2013 erst 59 % der Befragten eine geringe bzw. deutliche Beeinträchtigung ihrer Geschäftsabläufe durch Infrastrukturmängel, waren es 2018 bereits 67 % und 2022 dann 79 %.
Zumindest die Bundesregierung hat zwischenzeitlich reagiert. Wurden 2005 noch zwei Drittel der Investitionen in die Bundesfernstraßen im Neubau getätigt, hat sich das Verhältnis mittlerweile umgekehrt, der Anteil des Neubaus liegt nur noch bei einem Drittel. Zudem liegt im Bundesverkehrswegeplan 2016 bis 2030 der Schwerpunkt bei der Instandhaltung. Allein 13 Mrd. Euro sind für die Ertüchtigung von Brücken im Netz der Bundesfernstraßen vorgesehen.
Auch bei den Schienenwegen ist einiges in Bewegung geraten. Im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III (LuFV III) erhöht der Bund seine Zahlungen an die Deutsche Bahn AG für Sanierung und Erhalt des Schienennetzes noch einmal deutlich. In den Jahren 2020 bis 2029 sollen es insgesamt 51 Mrd. Euro sein. Die Deutsche Bahn AG will damit auch die maroden Brücken sanieren. Mit 9 Mrd. Euro sollen 2.000 der insgesamt gut 25.000 Brücken im Schienennetz modernisiert oder erneuert werden.
2024 stellt der Bund für die Erhaltung mit 10,8 Mrd. Euro gut ein Drittel mehr Mittel zur Verfügung als im vergangenen Jahr. Zudem wird das Eigenkapital der DB AG um weitere 5,5 Mrd. Euro aufgestockt (2023: 1,125 Mrd.), damit wird die Fähigkeit der Bahn erhöht, am Kapitalmarkt Kredite für Investitionen aufzunehmen. Bei den Bundeswasserstraßen werden die Mittel des Bundes für die Erhaltung der verkehrlichen Infrastruktur um 60 % auf 450 Mio. Euro erhöht.
Insgesamt stellt der Bund 2024 für Investitionen in die Bundesverkehrswege (Inklusive der Eigenkapitalaufstockung bei der DB AG 26,2 Mrd. Euro zur Verfügung. 2014 waren es nur 10,3 Mrd. Euro. Der Investitionshochlauf hat also gegriffen. Allerdings reicht es nicht aus, die Investitionen auf diesem hohen Niveau zu stabilisieren. Angesichts stark steigender Baupreise ist eine jährliche Aufstockung sinnvoll, um keinen realen Rückgang zu haben.
Die Kommunen sind von diesem „Investitionshochlauf“ weit entfernt. Nach wie vor fehlt es einem erheblichen Teil der Kommunen an Finanzkraft. Das Deutsche Institut für Urbanistik führt jährlich im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau eine Befragung unter den Kommunen durch. Dabei wird auch der hochgerechnete Investitionsrückstand nach Aufgabenbereichen ermittelt.
Die Straßen- und Verkehrsinfrastruktur weist (neben den Schulen) regelmäßig den höchsten Investitionsrückstand auf. Von 2011 bis 2023 hat sich dieser von 25 auf 48 Mrd. Euro erhöht. Besonders problematisch ist: Nur 37% der Kommunen gaben in der jüngsten Umfrage an, dass sie in den vergangenen 5 Jahren die Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur ganz oder größtenteils gewährleisten konnten, 50 % gingen davon aus, dass der Investitionsrückstand in den kommenden fünf Jahren weiter zunehmen wird.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik - unter anderem im Auftrag des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie - aus dem Jahr 2023 ermittelte bis zum Jahr 2023 einen zusätzlichen Investitionsbedarf bei der kommunalen Verkehrsinfrastruktur für die Nachholung unterlassener Investitionen bzw. den Ersatz veralteter Anlagen in Höhe von 347 Mrd. Euro.