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Zustand der Verkehrswege

 

23.11.2022

 

Die zunehmende Mobilität der Gesellschaft, das Wirtschaftswachstum sowie die zentrale Lage als Verkehrsdrehscheibe in der Mitte Europas haben in Deutschland zu einem starken Verkehrswachstum geführt. Zwischen 1991 und 2021 legte die inländische Güterverkehrsleistung (Mrd. Tonnenkilometer auf Straße, Schiene und Wasser) um 70 % zu, die Personenverkehrsleistung (Mrd. Personenkilometer) bis 2019 (die danach wegen der Corona-Beeinträchtigungen drastisch zurückging) um 29 %. Dies hat - zusammen mit den in der Vergangenheit nicht ausreichenden Erhaltungsinvestitionen - zu einer deutlichen Qualitätsverschlechterung vor allem bei den Bundesverkehrswegen geführt.

  • Zwischen 2000 und 2020 hat an Bundesfernstraßen der Anteil der Brückenflächen mit einem guten bzw. sehr guten Zustand von 30 auf 13 % abgenommen. Gleichzeitig stieg der Anteil, der als gerade noch ausreichend bzw. schlechter eingestuft wurde, von 37 auf 40 %. Sperrungen von Autobahnbrücken über den Rhein für den Schwerlastverkehr sind dabei nur die Spitze des Eisberges.
  • Ein Sechstel der Fahrbahnflächen der Bundesautobahnen und ein Drittel der Fläche der Bundesstraßen haben mittlerweile nur noch eine eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit.
  • Ein Viertel der deutschen Eisenbahnbrücken weist umfangreiche Schäden auf. Weitere 5 % müssen in den kommenden Jahren abgerissen werden, da ihre Reparatur im Vergleich zu einem Neubau zu teuer ist.
  • 85 % der Schleusen im Netz der Bundeswasserstraßen haben lediglich einen ausreichenden, nicht ausreichenden oder gar ungenügenden Erhaltungszustand, bei den Brücken sind es 49 %. Zudem lassen viele Brücken über dem Kanalnetz dem stark zunehmenden Containerverkehr nicht mehr genügend Raum.

In der Prognose, die Grundlage für die Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans 2016 bis 2030 war, wurde bis 2030 mit einem weiteren Wachstum im Güterverkehr von 20 % und im Personenverkehr von 11 % gerechnet. Allerdings wurden in der Vergangenheit die Verkehrsprognosen regelmäßig von der Realität überholt. Auch das angestrebte Ziel der Verlagerung bei Gütertransporten von der Straße auf die Schiene bzw. die Bundeswasserstraßen wurde nicht erreicht. Der Anteil der Straße an der Güterverkehrsleistung (Mrd. Tonnenkilometer) lag 2021 mit 75% auf einem unverändert hohen Niveau. Mit dem weiter zunehmenden Verkehr wird auch das Instandhaltungsproblem weiter vergrößert. Allerdings steuert das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur seit einigen Jahren mit einem Sonderprogramm zur Brückenertüchtigung dagegen.

Das World Economic Forum weist in seinem jährlichen Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern auch die Qualität der Verkehrsinfrastruktur aus. Auf einer Skala von 1 (schlechteste Note) bis 7 (beste Note) hat sich danach die Qualität in Deutschland zwischen 2006 und 2019 (seitdem wurden keine neuen Zahlen veröffentlicht) von 6,5 auf 5,2 deutlich verschlechtert. Von dieser negativen Entwicklung waren alle Verkehrsträger gleichermaßen betroffen. Am deutlichsten fiel allerdings der Rückgang bei der Bewertung der Qualität der Schieneninfrastruktur aus.

Zu den Auswirkungen der Qualitätsprobleme bei der Infrastruktur, nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Länder- bzw. kommunaler Ebene, befragte das Institut der Deutschen Wirtschaft 2013, 2018 und 2022 bundesweit zwischen 1.700 und 2.600 Unternehmen. Dabei zeigte sich im Zeitablauf eine deutliche Abnahme bei der Qualitätsbewertung der Infrastruktur. Beklagten 2013 erst 59 % der Befragten eine geringe bzw. deutliche Beeinträchtigung ihrer Geschäftsabläufe durch Infrastrukturmängel, waren es 2018 bereits 67 % und 2022 dann 79 %.

Zumindest die Bundesregierung hat zwischenzeitlich reagiert. Wurden 2005 noch zwei Drittel der Investitionen in die Bundesfernstraßen im Neubau getätigt, hat sich das Verhältnis mittlerweile umgekehrt, der Anteil des Neubaus liegt nur noch bei einem Drittel. Zudem liegt im Bundesverkehrswegeplan 2016 bis 2030 der Schwerpunkt bei der Instandhaltung. Allein 13 Mrd. Euro sind für die Ertüchtigung von Brücken im Netz der Bundesfernstraßen vorgesehen.

Auch bei den Schienenwegen ist einiges in Bewegung geraten. Im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III (LuFV III) erhöht der Bund seine Zahlungen an die Deutsche Bahn AG für Sanierung und Erhalt des Schienennetzes noch einmal deutlich. In den Jahren 2020 bis 2029 werden es insgesamt 51 Mrd. Euro sein. Die Deutsche Bahn AG will damit auch die maroden Brücken sanieren. Mit 9 Mrd. Euro sollen 2.000 der insgesamt gut 25.000 Brücken im Schienennetz modernisiert oder erneuert werden.

Insgesamt stellt der Bund 2022 für Investitionen in die Bundesverkehrswege 18,3 Mrd. Euro zur Verfügung. 2014 waren es nur 10,3 Mrd. Euro. Der vom damaligen Bundesverkehrsminister Dobrindt angekündigte Investitionshochlauf hat also gegriffen. Allerdings reicht es nicht aus, die Investitionen auf diesem hohen Niveau zu stabilisieren. Angesichts stark steigender Baupreise ist eine jährliche Aufstockung sinnvoll, um keinen realen Rückgang zu haben.

Die Kommunen sind von diesem „Investitionshochlauf“ weit entfernt. Nach wie vor fehlt es einem erheblichen Teil der Kommunen an Finanzkraft. Das Deutsche Institut für Urbanistik führt jährlich im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau eine Befragung unter den Kommunen durch. Dabei wird auch der hochgerechnete Investitionsrückstand nach Aufgabenbereichen ermittelt.

Die Straßen- und Verkehrsinfrastruktur weist (neben den Schulen) regelmäßig den höchsten Investitionsrückstand auf. Von 2011 bis 2021 hat sich dieser von 25 auf 39 Mrd. Euro erhöht. Besonders problematisch ist: Nur 38% der Kommunen gaben in der jüngsten Umfrage an, dass sie in den vergangenen 5 Jahren die Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur ganz oder größtenteils gewährleisten konnten, 41 % gingen davon aus, dass der Investitionsrückstand in den kommenden fünf Jahren weiter zunehmen wird.

Leider ist es in den Verhandlungen über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nur bedingt gelungen, den Bund an der Finanzierung der kommunalen Verkehrswege im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) dauerhaft zu beteiligen. Das GVFG-Bundespro-gramm soll zwar dauerhaft fortgeführt und die Finanzausstattung des Programms auf jährlich 1 Mrd. Euro mehr als verdoppelt werden.

Zur Fortschreibung der Entflechtungsmittel, die von den Bundesländern im Rahmen eigener Pro-gramme verwaltet werden, über das Jahr 2019 hinaus haben sich Bund und Länder dagegen nicht entschließen können. Es ist daher notwendig, dass die Länder ihr zusätzliches Umsatzsteueraufkommen in Höhe dieser Entflechtungsmittel – also 1,3 Mrd. Euro pro Jahr – landesgesetzlich für Investitionen in die kommunale Infrastruktur zweckbinden.