Neuer Arbeitsplatzgrenzwert
Im November 2019 hat der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) im Zuge der Aktualisierung der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) einen gesundheitsbasierten Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung von Destillations- und Air-Rectified-Bitumen beschossen: Dieser beträgt 1,5 mg/m3 nach Bitumen-Kondensatstandard. Durch Veröffentlichung der TRGS 900 im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) wurde er am 13.03.2020 eingeführt.
Übergangsfrist gegen Auflagen
Für den Bereich Guss- und Walzasphalt sowie im Bereich der Bitumen und Polymerbitumenbahnen wurde der AGW bis 31. Dezember 2024 ausgesetzt. Die Gewährung der Übergangsfrist wurde an anspruchsvolle Auflagen an die Bauwirtschaft geknüpft: So ist u. a. durch die Bauwirtschaft in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) ein sog. Handlungs- und Maßnahmenkonzept zu erstellen und dem AGS vorzustellen. Hieraus soll erkennbar sein, welche Schritte und Mittel die Bauwirtschaft unternimmt, um die Einhaltung des AGW binnen der gewährten Übergangsfrist sicherzustellen. Weiterhin gilt es im Mai 2022 einen Zwischenbericht zu präsentieren, aus dem die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen hervorgeht.
Erfolgreicher Meilenstein: Handlungs- und Maßnahmenkonzept
Das Handlungs- und Maßnahmenkonzept wurde dem AGS als Ergebnis guter Zusammenarbeit von BG BAU und Bauwirtschaft am 18.11.2020 vorgestellt und von diesem befürwortet.
Das vorgelegte Handlungs-/Maßnahmenkonzept beruht auf fünf Säulen. Die zwei wesentlichsten Säulen stellen dabei die Maßnahmen der Ziffern I. und II. dar:
Wichtig: Während für die Umsetzung der technischen Maßnahmen aus Ziffer I. die Unternehmen der Bauwirtschaft und deren Maschinenhersteller allein verantwortlich zeichnen, bedarf es zur Umsetzung der Maßnahmen aus Ziffer II. zwingend der Mitwirkung der Auftraggeber.
Gesonderte vertragliche Vereinbarung erforderlich
Die Umsetzung einer Temperaturabsenkung muss gesondert vertraglich vereinbart werden, so dass der Unternehmer nicht gezwungen wird, vom Vertrag abweichend leisten zu müssen. Bauverträge stützen sich in den Leistungsbeschreibungen üblicherweise auf bestehendes, länderspezifisches Regelwerk. Für den Straßenbau sind dies meistens die Regelwerke der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV), die in ihrer Hierarchie in R1-, R2- und W1-, W2-Kategorien unterteilt werden. R1 steht hierbei für die höchste Kategorie. In der Ausgestaltung von Verträgen im Straßenbau greifen die Auftraggeber überwiegend auf Regelwerke der R1-Kategorie zurück.
Temperaturabgesenkte Asphalte werden zu einem gewissen Grad über das Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt (MT A) geregelt. Dabei handelt es sich zwar um ein Regelwerk der Kategorie R1, dennoch wird es oftmals vertraglich nicht vereinbart. An seine Stelle rücken bspw. die Technischen Lieferbedingungen für Asphalt im Straßenbau (TL Asphalt StB). Darin nimmt das Regelwerk in Tabelle 3 verbindliche Vorgaben bzgl. minimaler und maximaler Einbau- und Mischtemperatur vor.
Mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen
Es steht eine Reihe von Verfahren zur Verfügung, um Emissionen aus Walz- und Gussasphaltmischgut im Herstellungs- und Einbauprozess zu reduzieren. Die Temperaturabsenkung ist dabei eines der wichtigsten. Sie wird helfen, die arbeits- und gesundheitsschutzrelevanten Vorgaben – ggf. in Kombination mit anderen Maßnahmen – sicher einzuhalten. Gleichzeitig werden dadurch in den meisten Fällen auch klima- und umweltrelevante Vorteile erreicht – wie z. B. eine Reduzierung der für die Produktion notwendigen Energie. Dieses ist ein wichtiger Baustein, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden und den CO2-Fußabdruck zu senken.
Neben dem Schutz der Mitarbeiter vor Expositionen mit Dämpfen bietet die temperaturabgesenkte Bauweise wesentliche Einsparpotenziale an Energie und CO2 bereits bei der Herstellung des Asphaltmischgutes in den Mischanlagen sowie dann bei dessen Transport und Einbau. Auch deshalb sollte diese Bauweise vorangetrieben werden und ein möglichst breites Spektrum an verfügbaren Methoden für unterschiedliche Anforderungsprofile zur Verfügung stehen.
Anknüpfen an zwei Jahrzehnte Historie
In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Versuche zum Einbau von TA-Asphalt. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat zwischen 1999 und 2006 erste Pilotmaßnahmen zentral begleitet und die Ergebnisse dokumentiert. In den durchgeführten Testmaßnahmen wurden vor allem die seinerzeit verfügbaren Wachse und Zeolithe als Additive zur Temperaturabsenkung eingesetzt. Andere Additive auf chemischer Basis sowie Schaumbitumen konnten noch nicht erprobt werden.
Im Zuge der Festsetzung des AGW für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen wurden zwischenzeitlich weitere Verfahren auf den deutschen Markt eingeführt, für die bisher jedoch nur begrenzte Erfahrungen hinsichtlich der technischen Performance und des Arbeitsschutzes vorliegen. Um zukünftig im Straßenbau eine breite Palette zugelassener Produkte und Verfahren einsetzen zu können, bedarf es sowohl für Auftraggeber als auch für Unternehmen ebensolcher objektiver Erfahrungen, welche die Prozess- und Vertragssicherheit für den Einbau bei abgesenkten Temperaturen gewährleisten.
Pilotprojekte auf die Straße bringen – neue Chancen nutzen! Auf Basis dieser Erkenntnisse hat nun das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in Zusammenarbeit mit der Bauwirtschaft das Allgemeine Rundschreiben (ARS) 09/2021 zur Durchführung von Erprobungsstrecken bei Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen zum Einsatz von temperaturabgesenkten Walzasphalten in Verbindung mit Absaugeinrichtungen am Straßenfertiger verfasst und an die obersten Straßenbaubehörden der Länder sowie der Autobahn GmbH des Bundes ausgereicht. Darin gibt das BMVI vor, unter welchen Bedingungen Test- bzw. Pilotmaßnahmen auszuführen sind.
Das ARS legt fest, welche Additive eingesetzt werden dürfen, welche Voruntersuchungen durch die Unternehmen erforderlich werden, welche Randbedingungen während des Einbaus zu dokumentieren und welche Prüfungen durch den Unternehmer im Rahmen der Eigenüberwachung durchzuführen sind. Außerdem regelt das ARS die Verteilung von Risiken zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern im Fall von Mängeln, die zu beseitigen sind, bzw. für etwaige Über- oder Unterschreitungen von vorgegebenen Parametern hinsichtlich Hohlraumgehalt und Schichtenverbund.
Die BAUINDUSTRIE fordert, dass öffentliche Auftraggeber nun die Chancen nutzen und auf dieser Basis eine möglichst große Zahl an Pilot- und Teststrecken ausschreiben sowie auf den Weg bringen. Alternativ sollten auch nachträgliche Änderungen zur Anlage von Teststrecken in bereits bestehenden Bauverträgen ausgelobt werden. Nur durch eine breite Anwendung der dort aufgeführten Regelungen, auch auf Straßenkategorien, die nicht in den Verantwortungsbereich des Bunds oder der Länder fallen, ist es möglich, jene Erfahrungen zu sammeln, die den Ansprüchen hinsichtlich Performance während der Nutzungsdauer bzw. des Arbeitsschutzes während der Herstellung im Sinne aller gerecht werden.