Die Bauwirtschaft passt ihre personellen und maschinellen Kapazitäten fortlaufend an die Nachfrage nach Bauleistungen an. Aufgrund der langen Baurezession von 1995 bis 2005 bauten die Baufirmen zu Beginn des Bauaufschwungs neue Kapazitäten erst nur verhalten auf. Ab 2010, als erwartet wurde, dass es sich um einen nachhaltigeren Aufschwung handelt, wurde jedoch vermehrt Personal eingestellt. Das Bauhauptgewerbe hat seit dem Beschäftigten-Tiefpunkt im Jahr 2009 bis 2023 ca. 500.000 Personen eingestellt, abzüglich der Rentenabgänge war dies ein Plus von 222.000 Personen. Für 2024 erwartet der HDB allerdings, erstmals seit 2008 - aufgrund der sich abschwächenden (Wohnungs-)Baukonjunktur und des stetigen Anstiegs der Insolvenzen - einen Rückgang um 10.000 auf 918.000 Beschäftigte im Bauhauptgewerbe, nach einer Stagnation 2023.
Um einen weiteren Beschäftigungsabbau entgegenzuwirken und um wieder Kapazitäten aufzubauen, benötigen die Baufirmen allerdings Vertrauen in eine stabile baukonjunkturelle Entwicklung, denn einmal aus dem Bauarbeitsmarkt ausgeschiedene Fachkräfte sind schwer zurückzugewinnen. Ansonsten können die dringend benötigten Wohnungen bei Wiederanspringen der Wohnungsbaukonjunktur nicht im ausreichenden Maße gebaut werden. Neben einer verlässlichen Förderpolitik müssen Vorschriften und Vorgaben entschlackt und eine einheitliche Bundesbauordnung eingeführt werden, um die Baukosten zu senken. Auch kann eine reale (preisbereinigte) Verstetigung der öffentlichen Bauinvestitionen eine ständige Kapazitätsanpassung nach oben oder unten verhindern.
Aktuelle Situation
Die personellen Kapazitäten am deutschen Bauarbeitsmarkt sind angespannt. Die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse in der Bauwirtschaft lag Ende 2023 laut Soka-Bau im gesamten Bundesgebiet bei knapp 13.000 und damit schon deutlich unter den in den Ruhestand verabschiedeten Mitarbeitern (2023: ca. 18.000). Hinzu kommt, dass die Soka-Bau einen Rückgang der Ausbildungsverhältnisse um 2,0 % gemeldet hat, nach einem Einbruch von 10,8 % im Vorjahr. Auch stehen nicht alle Auszubildene, welche eine Ausbildung am Bau begonnen haben, letztendlich auch dem Bauarbeitsmarkt zur Verfügung: Laut Statistischem Bundesamt werden 40 % der Ausbildungsverträge im Hoch- und Tiefbau vorzeitig gelöst.
Die Arbeitskräftereserven auf dem deutschen Bauarbeitsmarkt sind nur noch begrenzt vorhanden: Bei den Bauingenieuren übersteigt seit dem Frühjahr 2015 die Zahl der offenen Stellen die der Arbeitslosen. Aber auch bei den gewerblichen Fachkräften gibt es einen Engpass: Bis März 2018 lag die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter mit bauhauptgewerblichen Berufen noch deutlich über der Zahl der offenen Stellen. Danach hat sich das Verhältnis - zumindest in den Monaten April bis November - umgekehrt.
Die Verschlechterung der Baukonjunktur seit der zweiten Jahreshälfte 2022 - und dem damit einhergehenden Anstieg der Zahl der Insolvenzen - ist allerdings schon auf dem Bauarbeitsmarkt angekommen: Die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter mit bauhauptgewerblichen Berufen lag im Jahresdurchschnitt 2023 um 7,0 % über dem Vorjahresniveau, die Zahl der arbeitslosen Bauingenieure stieg sogar um 28,4 %. Beides allerdings auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Dies hat sich 2024 fortgesetzt: Die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter mit bauhauptgewerblichen Berufen lag im Oktober um 8,1 % über dem vergleichbaren Vorjahresmonat, die der Bauingenieure sogar um 17,1 %.
Trotzdem sehen noch viele Unternehmen im Fachkräfteengpass die größte Gefahr für die weitere Entwicklung: Im Rahmen der DIHK-Umfrage zum Herbst 2024 gaben - trotz restriktiverer Beschäftigungspläne - immer noch 65 % der befragten Bauunternehmen den Fachkräftemangel als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens an. In der Industrie beklagten dies nur 46 %.
Die deutsche Bauindustrie und ihre Unternehmen hatten deshalb eine Vielzahl von Maßnahmen eingeleitet, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Diese sind im Einzelnen:
Dies macht sich auch langsam bemerkbar: Im Durchschnitt der ersten zehn Monate 2024 gaben im Rahmen einer ifo Umfrage 24 % der Befragten an, dass ihre Bautätigkeit durch Fachkräftemangel behindert werde, im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es noch 28 %.
Siehe auch:
Brancheninfo Bau: „Fluktuationsquote im Bauhauptgewerbe“
Präsentation „Bauarbeitsmarkt“ (ausschließlich abzurufen über ELVIRA)
Präsentation „Frauen am Bau“