Brancheninfo Bau

Fachkräftesituation im Bauhauptgewerbe

Kraus / 06.11.2025

 

Die Bauwirtschaft passt ihre personellen und maschinellen Kapazitäten fortlaufend an die Nachfrage nach Bauleistungen an. Aufgrund der langen Baurezession von 1995 bis 2005 bauten die Baufirmen zu Beginn des Bauaufschwungs neue Kapazitäten erst nur verhalten auf. Ab 2010, als erwartet wurde, dass es sich um einen nachhaltigeren Aufschwung handelt, wurde jedoch vermehrt Personal eingestellt. Das Bauhauptgewerbe hat seit dem Beschäftigten-Tiefpunkt im Jahr 2009 bis 2023 ca. 500.000 Personen eingestellt, abzüglich der Rentenabgänge war dies ein Plus von 222.000 Personen. 2024 wurde erstmals seit 2008 wieder Personal abgebaut, und zwar um 1,2 % bzw. 11.500 auf 916.000 Stellen. Einem Beschäftigtenaufbau im Tiefbau stand ein -abbau im Hochbau gegenüber. 

Um in Zukunft wieder nachhaltig Kapazitäten aufzubauen, benötigen die Baufirmen Vertrauen in eine stabile baukonjunkturelle Entwicklung, denn einmal aus dem Bauarbeitsmarkt ausgeschiedene Fachkräfte sind schwer zurückzugewinnen. Ansonsten können die dringend benötigten Wohnungen bei Wiederanspringen der Wohnungsbaukonjunktur nicht im ausreichenden Maße gebaut werden. Neben einer verlässlichen Förderpolitik müssen Vorschriften und Vorgaben entschlackt und eine einheitliche Bundesbauordnung eingeführt werden, um die Baukosten zu senken. Auch kann eine reale (preisbereinigte) Verstetigung der öffentlichen Bauinvestitionen eine ständige Kapazitätsanpassung nach oben oder unten verhindern. 

Aktuelle Situation

Die personellen Kapazitäten am deutschen Bauarbeitsmarkt haben sich leicht entspannt: Die Betriebe des Bauhauptgewerbes mit 20 und mehr Beschäftigten (Monatsbericht) konnten ihren Personalbestand in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 1,0 % erhöhen. Vervollständigt um die Kleinbetriebe (Mixmodell) ergibt sich auch für alle Betriebe ein Plus von 1,0 %. Beides mit einem leicht höheren Plus am aktuellen Rand (Juli: +1,2 % bzw. +1,3 %). Im Rahmen des Mixmodells veröffentlicht das Statistische Bundesamt eine Differenzierung nach Wirtschaftszweigen (WZ). Demnach liegt der Anstieg im Durchschnitt der ersten sieben Monate zwischen 1,5 % im WZ „Dachdeckerei und Bauspenglerei“ und 3,3 % im WZ „Leitungstiefbau und Kläranlagenbau“. Letzteres ist angesichts der guten Auftragslage in diesem WZ nicht verwunderlich. Lediglich in den WZ „Bau von Gebäuden“ und „Bau von Straßen“ sind die Unternehmen aufgrund der (noch) schlechten Auftragssituation im Wohnungsbau und im Straßenbau bisher zurückhaltend (- 2,0 % bzw. + 0,2 %).

Dabei haben die Bauunternehmen, die ihren Personalbestand erhöht haben, ihren zusätzlichen Bedarf aus der stillen Reserve gedeckt: Die Zahl der Arbeitslosen mit bauhauptgewerblichen Berufen (Baufacharbeiter + Experten + Helfer) ist in den ersten drei Quartalen um 3,5 % auf 42.500 gesunken, nach einem Anstieg 2023 und 2024 von 7,6 bzw. 5,4 %. Aus diesem Grund wird der HDB in Kürze seine ursprüngliche Beschäftigtenprognose für das Gesamtjahr 2025 (von Mai dieses Jahres) von minus 0,7 % revidieren. Es kann von einem leichten Anstieg ausgegangen werden.

Hintergrund 

Die deutsche Bauindustrie und ihre Unternehmen hatten eine Vielzahl von Maßnahmen eingeleitet, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen und den Beschäftigtenaufbau ab 2010 zu bewältigen: Diese waren und sind im Einzelnen:

  • Integration der Arbeitslosen in den Bauarbeitsmarkt: Die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter mit bauhauptgewerblichen Berufen ist im Jahresdurchschnitt von ehemals 70.000 im Jahr 2007 (ältere Zahlen liegen nicht vor) auf 17.700 im Jahr 2024 gesunken. Die Zahl der arbeitslosen Bauingenieure ist im gleichen Zeitraum von 4.400 auf 2.500 zurückgegangen. Auch die Zahl der Baufacharbeiter mit ausbaugewerblichen Berufen ist gesunken, und zwar von 83.000 auf 32.000. Insgesamt stehen aber immer noch bis zu 50.000 Baufacharbeiter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, inkl. Helfer und Experten wären es sogar 118.000. Allerdings sind natürlich nicht alle – wegen Alter und gesundheitlichen Einschränkungen – wieder in den Bauarbeitsmarkt integrierbar.
  • Integration freigestellten Personals aus dem Verarbeitenden Gewerbe: Im Rahmen der Baurezession sind arbeitslos gewordene Bauarbeiter häufig in andere Wirtschaftszweige abgewandert, insbesondere in die des Verarbeitenden Gewerbes. Aufgrund der sich dort seit 2024 verschlechternden wirtschaftlichen Lage – der Umsatz ging 2024 um 3,4 % und in den ersten acht Monaten 2025 um 1,2 % zurück – wurde vermehrt Personal „freigestellt“: Im Durchschnitt des Jahres 2024 ging die Zahl der Beschäftigten um 0,5 % bzw. 26.550 und im Zeitraum Januar bis August 2025 sogar um 1,9 % bzw. 105.600 zurück. Etliche von diesen Personen können (auch aufgrund ihrer originären Bauausbildung oder verwandten Berufen) in den Bauarbeitsmarkt integriert werden.
  • Intensivierung der Nachwuchswerbung: 2021 konnten 14.800 junge Leute für einen Beruf im Bauhauptgewerbe (inkl. Angestellte) gewonnen werden, 34 % bzw. 3.800 mehr als zum Tiefpunkt im Jahr 2005. Aufgrund des konjunktur- und demografiebedingten Rückgangs 2022 bis 2024 ist das Plus auf 12 % bzw. 1.320 geschrumpft. Die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse in der Bauwirtschaft lag Ende 2024 laut Soka-Bau im gesamten Bundesgebiet bei 12.340 und damit schon deutlich unter den in den Ruhestand verabschiedeten Mitarbeitern (2024: ca. 19.800). Hinzu kommt, dass die Soka-Bau für 2024 einen Rückgang der Ausbildungsverhältnisse um 4,7 % gemeldet hat, das ist das dritte Minus in Folge. Außerdem stehen nicht alle Auszubildenden, welche eine Ausbildung am Bau begonnen haben, letztendlich auch dem Bauarbeitsmarkt zur Verfügung: Laut Statistischem Bundesamt werden 40 % der Ausbildungsverträge im Hoch- und Tiefbau vorzeitig gelöst. Aktuell gibt es aber wieder einen Lichtblick: Die Soka-Bau meldete für Ende September 2025 einen Anstieg der Zahl der Ausbildungsverhältnisse im 1. Lehrjahr im Vergleich zum Vorjahr um 10,6 %. Ob diese Entwicklung gehalten werden kann, wird sich aber erst mit Veröffentlichung der Daten zum Stand Ende des Jahres zeigen.
  • Anstieg der Absolventen eines Bauingenieurstudiums: Die Zahl lag 2024 bei 10.458 und damit mehr als doppelt so hoch wie zum Tiefpunkt 2008 mit 4.680.
  • Integration von Fachkräften aus dem Ausland in die eigenen Belegschaften: Die Ausländerquote im Wirtschaftszweig Bauhauptgewerbe ist von 8 % im Jahr 2009 auf inzwischen (2024) 24 % angestiegen. In Berufen des Hochbaus (ohne Angestellte) liegt die Quote sogar bei 36 %.
  • Einsatz von Nachunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union: Die Zahl der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer ist von 51.240 im Jahr 2009 auf 107.000 im Jahr 2015 gestiegen. Seitdem ist ein Rückgang auf 86.000 im Jahr 2024 zu beobachten. Letzteres dürfte auf den kontinuierlichen Aufbau der eigenen Belegschaft zurückzuführen sein. Bei einem zusätzlichen Fachkräftebedarf sollte es möglich sein, die Zahl der Entsandten wieder zu erhöhen.
  • Halten bzw. Aufbau des Personalbestandes: Trotz der zwischenzeitigen Abschwächung der Baukonjunktur haben die Bauunternehmen – mit Ausnahme von 2024 – ihren Personalbestand gehalten, bzw. sogar weiter aufgestockt. Im Rahmen der aktuellen Herbst-Umfrage der Creditreform zum Thema „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand“ gaben fast 70 % der befragten Bauunternehmen an, ihren Personalbestand aktuell zu halten, 16 % haben sogar aufgestockt. Für die Zukunft planen sogar 76 % ihr Personal zu halten, 17 % wollen weiter aufstocken. Dies ging in der Vergangenheit natürlich zu Lasten der Produktivität im Baugewerbe. Schließlich wird diese aus dem Verhältnis der realen Produktion zur Beschäftigung berechnet. Wenn die reale Produktion sinkt und die Beschäftigung steigt, sinkt die (berechnete) Produktivität.

Aufgrund des Personalaufbaus (aber auch wegen der baukonjunkturellen Abschwächung insbesondere im Wohnungs- und im Straßenbau) hat sich die Einschätzung der Bauunternehmer hinsichtlich eines drohenden Fachkräfteengpasses etwas entspannt: Im Rahmen der DIHK-Umfrage zum Herbst 2025 gaben zwar immer noch 59 % der befragten Bauunternehmen den Fachkräftemangel als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens an, in der Vorumfrage im Frühsommer (64 %) und auch in der Vorjahresumfrage im Herbst 2024 (65 %) lag der Anteil aber noch deutlich höher.

Siehe auch:

Brancheninfo Bau: „Kapazitäten im Bauhauptgewerbe“ 

Brancheninfo Bau: „Fluktuationsquote im Bauhauptgewerbe“ 

Präsentation „Bauarbeitsmarkt“ (ausschließlich abzurufen über ELVIRA

Präsentation „Frauen am Bau“